Lärm, Bikermystik, whatever

Motorräder sind Kraftfahrzeuge, insofern also nichts weiter als Fortbewegungsmittel. In diesem Blog sind Motorräder eines der großen Themen, neben dem Hauptthema Fahrrad. Als langjähriger Nutzer moderner Grossserien-(Budget-)Motorräder, sowie (Sport-)Enduros, Supermoto-Umbauten und Motorroller weiß ich speziell einspurige Fahrzeuge aufgrund ihrer Eigenschaften (wenig Masse, geringer Spritverbrauch, geringer Platzbedarf, optimiert für Einpersonenmobilität, Fahrcharakteristik für winkelige Kleinstraßen geeignet, preisgünstige Anschaffung, wirtschaftlicher Betrieb, zugängliche Technik, mentale Aspekte des Fahrens) zu schätzen und habe auch im Alltagsbetrieb meinen Spaß damit, statt meine Zeit in einem Auto abzusitzen. Ich verbinde damit aber keine sonstige Aussage. Als Fussgänger, Radfahrer, Moped- und Motorradfahrer, Autofahrer und lange Zeit auch Kleintransporterfahrer könnte man dank eines gewissen Gemeinverständnisses im Straßenverkehr pragmatisch und sozial angepasst unterwegs sein statt nur eigene Sonderbedürfnisse in den Vordergrund zu stellen.
Einer der Gründe, warum ich als meistens eher verletzlicher Verkehrsteilnehmer (Fussgänger, Radfahrer, Motorradfahrer) wenig Angst vor der Teilnahme am Straßenverkehr habe, liegt darin begründet, daß ich selbst gegenüber leichter verletzlichen Verkehrsteilnehmern rücksichtsvoll und umsichtig zu sein versuche, also kein „Recht des Stärkeren“ einfordere oder akzeptiere. Es mag nun falsch sein, von sich auf andere zu schließen, und keinesfalls darf die Vorsicht dadurch vermindert werden, aber umgekehrt kann ich mir manche leicht hysterische Angstaussage sonst kaum erklären. Beispiel: „Ich muß mit dem Motorradfahren aufhören, weil meine Familie mich braucht“, oder „Ich fahre nicht Fahrrad, weil es zu gefährlich ist“. Wie bitte? What? Wir sind doch hier nicht im wilden Westen oder bei den Hottentotten. Aber vielleicht kommt mir Fahrradfahren gefährlich vor, wenn ich als Autofahrer Radfahrer nicht als vollwertige Verkehrsteilnehmer wahrnehme, sie als Problem betrachte, als Behinderung. Da muß man auch vor der eigenen Türe kehren. Beispiel: Wenn ich eine 4,5m breite Gasse brauche, um legal an einem 80cm breiten Fahrzeug vorbeizukommen, dann wäre es eine gute Idee, mal den einen oder anderen Gedanken an die eigene Fahrzeugbreite zu investieren. Oder einfach mal einen friedfertigen Moment lang kürzer zu treten statt auf die in der 2,5m langen Motorhaube eingebaute Dauervorfahrt zu pochen. Ja, es gibt solche menschenfreundlichen Autofahrer wirklich, sie fallen sehr angenehm auf, und sie beeinflussen das Zusammenleben im Straßenverkehr sehr positiv.
Aber jetzt zum Kernpunkt dieses Blogposts: Ich distanziere mich als Motorradfahrer, -pendler, -hobbyist, -schrauber, ehemaliger Hobby-„Motorsportler“ aus aktuellem Anlaß von eigenartigen Biker Demos, Motorrad-Egomanen, Lärmterroristen, von künstlicher Bikermystik und selbstgerechtem Gejammer. Wer hier im Blog liest, wird das wohl schon geahnt haben. Hiermit sei es nochmal klar gesagt.
Gleichwohl ist mir das Fortbewegungsmittel Motorrad wichtig, sowohl im Alltag als Pendlerfahrzeug, als auch in der knappen Freizeit. Ich möchte und werde darauf nicht verzichten, und ich beanstande Totalsperrungen, welche durch Streckenmissbrauch entstehen. Aber bei diesem Thema möchte ich auch auf einen aus meiner Sicht sehr guten Heise-Motor Artikel von Clemens Gleich hinweisen, welcher das elende Lärmthema und die vermeintlich ungerechte Behandlung im Falle der Tiroler Lärmbeschränkungen hervorragend aufbereitet.
Konkret die Tiroler Lösung mit einer unterwegs prüf- und messbaren Standgeräuschbegrenzung auf beliebten Strecken finde ich nicht schlecht. Damit kann man pragmatisch und zumindest ein bisschen effektiv dafür sorgen, daß längerfristig solche Strecken nicht unpassierbar für Motorradfahrer werden. Es gibt beim Touren kaum etwas Ärgerlicheres als eine unerwartete Motorrad-Streckensperrung auf der Fahrt, für die man sich dann bei Penetranzfahrern, Lärm-Egoisten, usw. bedanken kann, die mit ihrem Verhalten u.U. sogar Leute mit brutalen Lösungsvorstellungen auf den Plan rufen. Ja, ich hoffe im Stillen, daß man damit auch Vorkommnisse mit durchgeknallten Fallenstellern (Öl, sonstige lebensgefährliche Vorrichtungen) reduzieren kann, weil offenbar ein mir unbekannter – gleichwohl vorhandener – Prozentsatz von Menschen selbst vor solchen Horrorattacken heute nicht mehr zurückschreckt.
Kürzlich wurde ich in einer Online-Motorradgruppe, in der diese typischen Auspuffthemen völlig überhand nahmen als „verklemmt“ bezeichnet, als ich auf ein derartiges Posting (quasi wörtlich: „Brauche Hilfe, muss laut, muss knallen“) mit einem Hinweis auf die sehr aktuelle Lärmthematik reagierte. Also man bezeichnete mich nicht etwa erwartungsgemäss als „spiessig“, sondern wirklich als „verklemmt“. Das lässt vielleicht Rückschlüsse zu, wo die Lärmthematik bei manchen Motorradfahrern psychisch verankert ist und warum diesem Thema somit schwer beizukommen ist. Es ist ein Abgrund, ein Graus, es ist massloser Bullshit. Hinzu kommt das im verlinkten Artikel beschriebene herstellerseitige (nachfragebedingte?) Problem mit werksseitig laut „designten“ Motoren, welche die Prüfmethoden technisch austricksen. Das ist jetzt kein Geheimnis, aber die Absurdität und Penetranz solcher Konstruktionen ist schon echt mies. Das gilt natürlich für alle Arten von KFZ. Hier bei uns in der Kleinstadt hat man das Problem eher mit laut abfurzenden und knatternden Proletenautos als mit den wenigen Motorrädern.
Das alles ändert nichts daran, daß man mit vielen aktuellen Grossserien-Budget-Motorrädern (der Heise-Motor-Artikel begründet gut, warum ich speziell auf dieser eher preisgünstigen Consumer-Fahrzeug-Untergattung herumreite) zeitgemässe KFZ kaufen kann, welche Nützlichkeit mit Spaß verbinden ohne auf Kosten anderer zu gehen und ohne einen finanziell zu ruinieren. Ich selber mag weder Lärm noch Streckensperrungen. Darauf reduziert, klingt es gar nicht so schwierig.

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