Stationärfahrrad

Radeln im Keller

Das Keller-Fitnesstraining mit Zwift hat sich hervorragend bewährt und ist hochmotivierend, übertraf also meine Erwartungen. Meine Frau war letztendlich dann neidig, wollte aber nicht auf der freien Rolle fahren. Ich hingegen wollte bessere Leistungskontrolle und mehr Wiegetritt, was auf der freien Rolle auf die Dauer zu mühsam und unsicher ist, denn man hat für Wiegetritt nicht genug Tretwiderstand, muß den Tritt also selbst muskulär balanzieren, und man hat dabei stets ein gewisses Risiko, von der Rolle zu fahren, was bei längeren Sessions nervt und anstrengt.
Egal, ich wäre allein schon aus Kostengründen und wegen des realistischen Fahrens in der simulierten Ebene durchaus bei der freien Rolle geblieben, nehme dieses gewaltige Upgrade nun aber gerne, auch in Anbetracht des Reifenverschleiß auf der freien Rolle und der Schonung des teuren Asfaltrades.

Das neue Zwift Setup

Ein wahrhaft alter aber robuster Alu-MTB Rahmen meiner Frau lag seit ewigen Zeiten im Keller herum. Sämtliche ehemals verbauten Teile hatte ich allerdings wie immer verkauft, da ich kein Teilesammler bin. Nur eine alte 36 Loch 559mm Felge gab der Fundus noch her. Somit habe ich also die Geschäfte in meinem Heimatort abgeklappert. Dabei hatte ich Glück. Eine superleichte Dura Ace Hollowtech 2-fach Kurbel mit neuem 68mm Innenlager ging zusammen mit einer alten 36 Loch Vordernabe für lau her, genau wie eine alte aber ungebrauchte dünne oldstyle MTB Gabel mit 1 1/8″ Ahead Steuerrohr. Steuersatz war glücklicherweise noch im Altrahmen enthalten gewesen.

Dann kam einer der Momente, wo man stolz darauf ist, ein versierter Fahrradschrauber zu sein. Als notorischer Laufrad(um)bauer habe ich einen Vorrat an Altspeichen, die teils sogar noch brauchbar sortiert bzw. beschriftet sind.

Semiprofessionelles Frickeln

In diesem Vorrat befanden sich mehrere Speichentypen, die ungefähr[tm] hätten passen können. Approximativ wurde die Gebrauchtnabe mit der alten (noch sehr guten) Mavic Felge eingespeicht, und beim Einspeichen wurde dann auch bedarfsgerecht das passende Speichschema festgelegt (man sieht ab der dritten Speichengruppe, was da gehen könnte), nämlich zweifach gekreuzt. Die Speichen waren etwas kurz aufgrund der vormaligen Felgen/Nabenkonfiguration, was ich dann auf diese Weise kompensieren konnte.
Normalerweise baue ich keine 36 Speichen Laufräder, und somit fehlten dann notgedrungen ein paar Speichen in diesem Satz. Es gab aber immerhin zwei unbenutzte Ersatzspeichen dieser Länge. Die letzten beiden fehlenden Speichen ergänzte ich schließlich aus einem anderen noch älteren Restsatz silberner Speichen, die noch minimal kürzer waren, aber doch so grade noch passten. Mei, man nimmt was man kriegt. Und daraus entstand nun mein neues Stationärvorderrad – mit Grinser im Gesicht, und es ist sogar überraschend gut geworden. Damit könnte man notfalls auch draußen fahren 😉

Schaltung

Mehrere Fahrräder hatte ich in der Vergangenheit schaltungstechnisch auf- bzw. umgerüstet. In solchen Fällen verkaufe ich die preisgünstigen Serienteile meist nicht, weil ich im Falle eines Fahrradverkaufs das ganze Rad in den serienmäßigen Zustand zurückbauen können will. Vom Cube Pedelec und vom Streetstepper waren also reichlich 9-fach Schaltungsteile übrig. Ich nahm vom Pedelec die breite 11-34 Kassette und vom Streetstepper die 9-fach Sora Schaltung. Die erwähnte Dura Ace Kurbel wurde auf „Einfach“ umgebaut, weil der Rahmen keinen Platz für ein inneres Kettenblatt in Größe 39Z aufweist. Dieses völlig ausreichende innere 39er Blatt kam also nach außen. Innen blieb unbesetzt, unter Verwendung von Einfach-Kettenblattschrauben. Das geht sich haarscharf in dem Rahmen aus. Man darf auch mal Glück haben 😉
Ob ein 39er Blatt mit 11-34 Ritzepaket für Alpe du Zwift (Watopia) ausreicht, muß ich austesten. Andernfalls kommt eine größere Kassette drauf, denn beim Kettenblatt geht aufgrund des großen Lochkreises nicht mehr viel.

Und der Rest

Jetzt bleibt nicht mehr so viel übrig. Sattelstütze war beim Rahmen noch dabei, zudem habe ich eine zweite passende Stütze, so daß beide User schnell den Sattel umstecken können. Als letztes kam noch ein preisgünstiger neuer Lenker samt Vorbau drauf. Gebrauchtteile hätten es auch getan, aber die Teile waren nicht teuer. Leider hatte ich keinen Lenker mehr übrig gehabt. Damit kann nun die Schaltung fertigmontiert und verkabelt, und abschließend dies alles noch mit Lenkerband umwickelt werden. Auf Bremsen verzichten wir glorreich. Der Lenker wird gekürzt, der Gabelschaft evtl. auch, und das wars dann eigentlich.
Dass das ganze technisch mit dem Computer und Smartphone kooperiert, ist selbstverständlich bereits angetestet. Soweit ist es bisher problemlos mit der Tacx Utility App, sowie der Zwift Software und App. Einzig auffällig war, daß die Tacx Utility App zwar problemlos den Connect und Firmware Update schafft, aber die einstellbare „Road Feel“ Straßenoberflächensimulation nicht wirkt. Da hats irgendwas mit der App. Im Zwift hingegen funktioniert das! Siehe unten im Artikel,
Genial finde ich, daß der neue Tacx Neo ggfs. auch ohne Stromanschluß lauffähig ist. So muß das sein, das ist zeitgemäß.

Zwift Screenshots

Das sind die letzten noch auf der freien Rolle gefahrenen Zwift Screenshots. Ab jetzt wird mit präziser Leistung und mit deutlich mehr Wiegetritt gefahren. Ich bin ungemein gespannt.

Erstfahrt

Und sogleich folgt die erste echte Fahrt, nämlich die „Greatest London Loop“ Strecke in Zwift mit dem Fox Hill Anstieg und einer kurzen 15% Steigung. Meine Ersteindrücke in aller Kürze:

Zwift Screenshot London - Erste Fahrt mit dem Tacx Neo Smart 2T
Zwift Screenshot London – Erste Fahrt mit dem Tacx Neo Smart 2T
  • Geräuschentwicklung: kein Vergleich zur nervig laut surrenden freien Rolle. Sehr sehr angenehm.
  • Realitätsnah. Das Gerät ist – was die Tretdynamik angeht – nicht mehr weit weg von herkömmlichem Straßen-Radfahren. Kein Vergleich zum alten Daum Ergobike mit Ergoplanet mit dessen sehr abrupter Regelung. Sowohl bergauf als auch bergab hat man ein sehr natürliches weiches analoges Gefühl. Ganz unerwartet funktioniert auch das „Road-Feel“ Feature. Bei der London-Strecke fährt man in der U-Bahn beispielsweise über querliegende Bretter. Und das spürt man dezent aber eindeutig und klar im Antrieb. Man könnte das als „Force-Feedback“ bezeichnen. Irrer Effekt.
  • Leistung: meine Vermutung bestätigt sich: Zwift berechnet die vom Fahrer gelieferte Tretleistung auf der freien Rolle sehr großzügig. Vor allem bei hoher Raddrehzahl kann man da „betrügen“ und relativ locker 400W halten. Mit dem sehr genau messenden Tacx Neo werden die Dinge wieder geradegerückt. Da geht garnix 😉
  • Alles in allem haben wir nun ein Kellertraining, welches abgesehen vom fixierten Stationärrad wirklich ganz nah am echten Radfahren ist und vom körperlichen Einsatz her den Erwartungen gerecht wird.

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