Erster Fahrbericht
Gestern zog der brandneue Streetstepper RS20 in die Garage ein. Heute gab es die erste Fahrt. Das perfekte Wetter passte zur wunderschönen Runde mit etwa 400Hm bis 15% Steigung und knapp 40km Streckenlänge. Der neue RS20 funktioniert super und hat mir bereits bei der Erstfahrt viel Freude gemacht. Was mir ansonsten bei dieser Runde aufgefallen ist, steht in diesem Artikel.
Wenngleich einem als Streetstepper-Fahrer der neue RS20 auf den ersten Versuch gleich vertraut vorkommt, so wird man beim Fahren doch erhebliche Unterschiede zum vorigen Modell feststellen. Es hat sich viel getan.
- Die auffallendste Änderung ist die weniger ausgeprägte Exzenterwirkung, so daß während eines Pedalschwenks die Übersetzung des Sekundärantriebs weniger progressiv ist.
- Es fällt auch die etwas breitere Stehposition auf.
- Der Antrieb wirkt direkter als beim alten Modell, wo man subjektiv fast ein hydraulisch bedämpftes Tretgefühl hatte. Meine Theorie dazu folgt etwas weiter unten im Text.
- Das trotz Reinigens und Fettens immer wiederkehrende Federknarren beim alten Antrieb tritt beim neuen RS20 dank der Feder-Aufhängungsbuchsen bisher überhaupt nicht auf. Das ist sehr angenehm. Man hört nur das leise „Abrollen“ der Primärketten auf der Nockenscheibe und das feine Klicken der Sperr-Freiläufe.
- Der untere Pedalanschlag ist weicher als beim alten Stepper, da es keinen Anschlagpunkt gibt, sondern die Umlenkrolle nach einem kurzen fast direkten Zug am Antrieb in der untersten Position der Exzenterkette zum Liegen kommt.
- Beim Entlasten der Pedale hat man eine etwas andere Aufwaertsbewegung: die Pedale verharren einen Sekundenbruchteil unten und schnappen dann aus der untersten Position nach oben. Vermutlich resultiert das aus der unteren Position der Umlenkrolle in der Exzenterkette, aus der sich das Pedal erstmal etwas befreien muss. Diesen minimalen Effekt habe ich allerdings nur unmittelbar nach dem Umstieg wahrgenommen. Inzwischen bin ich dran gewöhnt.
- Der neue Antrieb wirkt erheblich resistenter gegen kraft- oder hebelbedingte starke Belastung. Zum einen sind die Umlenkpunkte so gesetzt, daß sich keine langen Hebel ergeben. Man tritt beispielsweise unmittelbar über dem Punkt, wo die Rollen in die Exzenterketten eingreifen. Dies erklärt m.E. wie oben beschrieben den subjektiv direkteren und rauheren, weniger entkoppelten Lauf. Zum zweiten wirken die Rollen an den Stephebeln wie inverse Flaschenzüge. Sie teilen die Kraft auf beide Kettenteile auf, so daß sich die wirkende Spitzenkraft auf die Antriebsexzenter halbiert. Zumindest scheint mir das als Laie plausibel. Gerne lasse ich mich da in meiner naiven Vorstellung berichtigen.
- Die weniger stark ausgeprägte Exzenterwirkung erhöht die Schalthäufigkeit. Das Schaltverhalten ähnelt viel mehr dem normalen Fahrrad. Da die Schaltung beim RS20 mittels eines Ritzelpakets am Hinterrad realisiert ist, nicht mehr als Kettenblattschaltung mit Umwerfer, schaltet es sich aber viel schneller und einfacher als beim Vormodell.
- In praktisch jeder Situation ist ein längerer Pedal-Schwenkbereich nutzbar, weil die Übersetzung sich beim Treten nur wenig ändert. Daher ist effektiveres Treten möglich. Das ist quasi der Gegeneffekt zur höheren Schalthäufigkeit.
- Selbst über 40km/h kann man mit der Serienübersetzung noch effektiv mittreten. Beim Vorgängermodell wurde es bereits bei ca. 30km/h mühsam wegen der hohen Pedalfrequenz und dem nurmehr kurzen nutzbaren unteren Schwenkbereich.
- Keine erkennbare Verwindung an steilen Anstiegen. Der RS20 hat selbst an heftigen Rampen keine Schwächen gezeigt.
- Angenehm sind mir auch die ausgewogenen Fahreigenschaften aufgefallen. Im Gegensatz zum Vormodell kann ich (bei identischem Vorderrad) sogar mit hohem Tempo freihändig dahinrollen. Versuchen Sie das bitte nicht, wenn Sie nicht genau wissen, was Sie tun! Es kann zu schweren Stürzen führen und es ist im Straßenverkehr nicht erlaubt.
Ich möchte mich bei der Firma Streetstepper für den perfekten und super kooperativen Kundensupport bedanken, welcher auch ursächlich dafür war, daß ich nun als einer der ersten Kunden stolz einen RS20 mein Eigen nennen darf.
Der alte Streetstepper Sport scheint für leichtere Einsätze, also im Hinblick auf Wellnesseinatz bei geringerem Körpergewicht gut geeignet zu sein. Der progressive Antrieb mit starker Hebelwirkung ist angenehm weich zu fahren. Das Fahrzeug sollte allerdings gut gepflegt werden, um Antriebsgeräusche zu vermeiden. Zum anderen ist von einer starken Belastung des alten Antriebs eher abzuraten.
Der neue RS20 ist für mich in viel höherem Masse ein robustes und technisch überzeugend auskonstruiertes Sportgerät.
Die Antriebseffektivität kann man als Laie nur schwierig beurteilen. Wenn ich hier nach inzwischen mehreren längeren Fahrten Vorteile beim RS20 sehe, dann ist das ein vorläufiger Eindruck, den ich über viele weitere Runden in der nächsten Zeit verifizieren möchte.
Und wer wie ich gerne selber schraubt, wird das erheblich bessere Arbeiten am neuen RS20 zu schätzen wissen. Die Hände bleiben beim Hinterradausbau sauber, man hat normal dimensionierte Standard-Teile beim Sekundärantrieb, sämtliche Spezialteile sind im zentralen Antrieb verkapselt. Der Rest ist „normales Fahrrad“.
Die heutige Runde konnte ich ausnahmsweise mal gemeinsam mit meiner Frau (auf ihrem MTB) fahren, so daß ich diesmal ein paar Fahr-Fotos bekommen habe. Beim Fahrzeugtausch konnte ich dann sehen, um wieviel mehr Spaß mir der Streetstepper im Vergleich zum normalen MTB macht, jedenfalls bei Fahrten auf befestigten Wegen. Meine Frau hingegen fand den Stepper bei ihrem Erstversuch schon gewöhnungsbedürftig. Mein Tip an experimentierwillige Leute ist der, so ein Fahrzeug mehrere Male zu testen. Es ist anders wie ein Fahrrad, und man muß ein Gefühl für die ganze Bewegung entwickeln. Dazu bedarf es einer Eingewöhnungs- bzw. Trainingsphase. Dann lernt man, die Effektivität dieses Antriebs sowie die große Bewegungsfreiheit und -variabilität zu nutzen und zu genießen. Ich hatte übrigens mit dem RS20 heute kein Problem, mit meiner Frau auf dem MTB mitzuhalten.