Twingo ZE

What?! Also nein, das wird hier kein Autoblog. Vor etwa 9 Jahren war ich erstmals ein Elektroauto gefahren, mit großem technischem Interesse. Bin zwar kein Autofreund, eher das Gegenteil, aber schon damals war ich von dieser Art des Fahrens ziemlich begeistert. Mit dem Elektroauto habe selbst ich Interesse am Autofahren entwickelt. Zwischenzeitlich konnte ich mal in einem i3 mitfahren, was naheliegenderweise sehr interessant und reizvoll war, aber eben nur theoretisch, denn realisierbar ist sowas bei mir nicht. Und heute bekam ich unerwarteterweise kurzfristig die Möglichkeit einer zweistündigen Probefahrt mit einem neuen Renault Twingo ZE, Sondermodell Vibes. Dieses Auto hatte es mir seit einiger Zeit angetan. Eigentlich erstmals überhaupt ist das ein Fahrzeug, das mich visuell, technisch und praktisch anspricht, und erstmals beginne ich auch, umständehalber einen gewissen Praxisnutzen in so etwas zu sehen, worauf ich jetzt nicht weiter eingehe. Die Probefahrt war voll überzeugend. Das Auto hat meine Erwartungen übertroffen, und die waren nicht so niedrig. Für mich ist das Ding perfekt, aber jetzt erstmal die heutigen Bilder:

Kurzer Fahrbericht

Fahrdynamisch ist das Auto klasse. Extrem wendig und auch bei Landstraßentempo problemfrei und angenehm zu steuern. Die Bedienung und die technischen Fahreigenschaften wie Rekuperation sind unauffällig gut. Das Kriechen im D Modus ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber dann auch kein Problem. Überholen auf der Landstraße geht perfekt, innerorts bist du an der Ampel völlig entspannt außer Sicht, bis der Schalt-Verbrenner nebenan im Getriebe umgerührt und röhrend das Turboloch überbrückt hat. Das war eh klar, das kennt man heutzutage auch, und das funktioniert selbst mit diesem halbwegs bezahlbaren Kleinwagen erwartungsgemäß. Der Innenraum ist angenehm, hell, modern, nicht direkt edel, aber attraktiv und eben nicht wie ein schwarzgrauer Aschenbecher gestaltet. Die einteiligen Textilsitze sind superangenehm und hübsch, das alles ist auf Anhieb überzeugend.
Und die Reichweite? Ja, das ist immer das Hauptthema. Heute herrschten Idealbedingungen für E-Fahrzeuge. Die Klimaanlage lief vermutlich die meiste Zeit. Ich erkannte den Abschalter nämlich nicht. Den Großteil der Strecke bin ich im Ecomodus gefahren, was fahrerisch keine schlimmen Einschränkungen im Landstraßenbetrieb bedeutet. Man hat schwächere Beschleunigung, sowie Eingriffe in die Heizungs- oder Klimaregelung. Das Tempo wird in Eco bei angezeigt 106km/h abgeregelt. Normal beschleunigt der Twingo ZE sehr gut bis 135km/h. Geht man vom Beschleunigungspedal runter, so wird rekuperiert, was sich gut einfügt. Dies ist dreistufig einstellbar. Um zu segeln, muß man den Fuß leicht am Pedal lassen oder vermutlich den Tempomat bemühen, was ich nicht getestet habe. Gebremst wird ebenfalls per Rückgewinnung. Der Rekuperationsmodus ist in der Anzeige gut sichtbar. Fahrprofil war hügelig über kleinere Landstraßen in der niederbayerischen Toskana, aber auch ein nennenswert langer 100km/h Anteil auf einer sehr großen geraden Landstraße. Während der ganz knapp 100km langen Fahrt ging die angezeigte Akkukapazität von 100% auf 48% runter, die Restreichweite am Schluß wurde noch mit 100km angezeigt. Fahrweise war entspannt cruisend, absolut reell, kein Verkehrshindernis. Will man auf Reichweite fahren, dann geht da noch mehr. Zudem hat das Auto (leider) etwas breitere Sonderreifen. Mit einem günstigeren Modell hätte man schmalere Reifen. Stromverbrauchsanzeige bei den kleineren hügeligen Landstraßen ging bis auf 13,3kWh/100km runter (nicht genullt!) und erhöhte sich bei der schnellen Fahrt dann bis 13,7kWh/100km. Abschliessend wurden 13,5 angezeigt. Ich hätte die Reichweite an diesem Tag mit vielleicht 180km extrapoliert.
Kurzes Fazit: absolut reelles alltagstaugliches schönes und sehr cooles Auto mit viel Fahrspaß, sehr guter Wirtschaftlichkeit und gemessen am relativ kleinen 22kWh Akku akzeptabler Reichweite unter Gutbedingungen. Wenn es hier in der Familie irgendwann das Go gibt, dann hole ich mir genau diese herrliche Kiste. Passt perfekt.

Tellerrand

Neben dem Twingo (Smart Basis, sieht man am Fahrgestell und auch innen) habe ich noch den neuen Fiat 500 Electric angeschaut, sowie anhand von Bildern auch den kommenden Dacia Spring. Der Fiat 500 wäre technisch eine Kategorie höher, hat den viel größeren Akku und hat zweifellos einen hohen Lieblingsfaktor bei Italienfreunden und Style-Fans. Mir ist das eklatant auf retro gestylete Innere etwas too much, zudem mag ich kein Kunstleder- oder Lederambiente im Auto, und ich bevorzuge das Form-follows-function Design des Twingo, insbesondere dessen langen Radstand dank minimaler Überhänge vorne und hinten und dessen deutlich geringeres Gesamtgewicht. Was es bedauerlicherweise beim Twingo Electric nicht gibt, ist eine Fußgängererkennung im Bremsassistent. Gerade bei innerstädtischer Nutzung scheint mir das eines der zentralen Sicherheitsmerkmale zu sein.
Zum Dacia wäre aus meiner Sicht zu sagen, daß dies anhand der Bilder eher so ein typischer Klein-SUV mit langer Motorhaube zu werden scheint. Das wäre eher nicht so mein Ding. Der Dacia punktet durch den etwas größeren Akku und den niedrigeren Preis.
Rein als Auto betrachtet finde ich den Twingo (wie übrigens schon seinerzeit den Ur-Twingo) bestechend, und somit wäre das in dieser Klasse mein klarer Favorit, wenn die Rahmenbedingungen dazupassen.

Update Oktober 2021

Seit kurzem haben wir nun unseren eigenen Twingo ZE in der Garage, und darüber freue ich mich riesig. Es ist wirklich das erste Auto, mit dem ich richtig Freude habe und insofern nicht mühsam meine Zeit drin absitzen muß. Irgendwann schreibe ich mal was zum Betrieb dieses kleinen E-Wagens, ergänze, relativiere oder korrigiere meinen Ersteindruck aus diesem Blogpost und erzähle von meinem Einstieg als totaler Anfänger in die Ladeszene. Erste Erfahrungen damit und auch eine deutliche Korrektur der zu erwartenden Reichweite findet man hier.

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