Build Page 2008: The Big Dummy Longtail

Projekt

Einst entstand der Wunsch nach einem simplen und lässigen Schaltnabenrad, etwa ein Surly 1×1 o.dgl. Keine Sonderlösungen mehr, sondern wartungsarme Standardtechnik in attraktiver Kombination und Gestaltung, minimalistisch und auch irgendwo sportlich. Im Laufe verschiedenster Fahrradschraubereien und Träumereien, gleichzeitig auch unter Betrachtung der sprunghaft steigenden Spritpreise wurde die Idee in Richtung eines echten Nutzfahrrades aufgebohrt, dank der Verfügbarkeit des Surly Big Dummy Rahmens mit dem flexiblen Xtracycle Ladesystem, erhältlich bei Used. Diese Idee setzte sich im Kopf fest und konnte nicht wieder ad acta gelegt werden. Das Rad wurde gebaut und wird seither regelmässig gerade über längere Strecken gefahren.

Die ersten Pakete

Rahmensichtung, Probeaufbau

Unmittelbar nach Erhalt der Teile wurde das geplante Alfine Hinterrad eingespeicht. Solides 3-fach gekreuztes Speichschema mit Sapim Force Speichen und Messing-Unterlegscheiben, Messingnippel, sehr steife Spank Felge in Schokobraun. Als Vorderrad verwende ich derzeit ein altes Nabendynamo Laufrad, bis der neue SON verfügbar ist. Als Radgröße ist 26 Zoll eine gute Wahl. Ursprünglich wollte ich 24″ Räder mit sehr dicken Reifen verwenden, aber dieses Rad liegt überraschend tief. Die Bodenfreiheit wäre damit zu knapp geworden. Auch mit 26 Zoll Rädern ist das Rad immer noch sehr niedrig gebaut.

Eine große Sorge ist immer die Passung der Bremszangen und Scheiben. In diesem Fall habe ich eine Shimano XT 2008 Bremsausstattung mit 180er Centerlock-Scheiben verwendet. Die Scheiben und Zangen passen prinzipiell auf Anhieb, also Adapter und Größen sind korrekt gewählt. Das gelingt nicht immer… Der vordere Postmountadapter musste radial noch einen halben Millimeter ausdistanziert werden, dann konnten die Zangen schleiffrei montiert werden. Die serienmäßige, 170cm der hinteren Bremsleitung reichen knapp nicht aus. Man braucht etwa 10cm mehr. Shimano liefert keine längere Leitung, man wird basteln müssen.

Die Alfine Nabe lässt sich einbauen und alles hat genug Platz. Allerdings hat man sehr wenig Material zur Stützung der Verdrehsicherungsscheiben in den extrem kurzen vertikalen Schlitzen der Ausfallenden. Ein Teil der Verdrehsicherungsnase der Scheiben liegt frei. Unschön. Man hätte 2mm mehr Stahl am Ausfallende spendieren können.

Aufbau im Detail

Als erstes wird Rahmen und Gabel innen so weit es eben geht mit Hohlraumwachs versiegelt. Dieser Schritt wird von Surly explizit empfohlen. Auch das Holzbrett des Xtracycle Ladegestells versiegle ich mit einem geeigneten Mittel. Danach muß alles 1 Tag trocknen.

Der Rahmen wird dann als erstes mit einem Hope Steuersatz und mit der Gabel komplettiert und praktischerweise auf Räder gestellt. Der Gabelschaft wird mit Vorbau und hohem Spacerturm passend abgeschnitten. Die endgültige benötigte Länge wird man erst später im Betrieb ermitteln können.

Schaltung: das 210cm lange Schaltkabel der Alfine Schaltarmatur reicht locker aus und lässt sich harmonisch und geradlinig verlegen. Perfekt.

Bremsen: Hauptproblem ist die notwendige lange Leitung für die Hinterbremse. Shimano liefert nur maximal 170cm Leitungen. Ein professioneller Fahrradmechaniker hat mir dann den Tip gegeben, eine problemlos erhältliche lange Magura Leitung (für Luise Serie) zu verwenden, zusammen mit neuen Shimano Stützhülsen, Schneidringen und den Shimano Schrauben der alten Shimano Leitung. I.d.T. war das ganze problemlos zu verarbeiten.

Der Lenker kann somit bereits mit Schalthebeln, Bremshebeln und Griffen komplettiert werden.

Das Xtracycle Ladegestell wird -wie von Surly empfohlen- bei den Einsteckverbindungen zum Rahmen mit Rennradschlauchstücken gegen eindringende Nässe gesichert.

Vervollständigung

Hier wurde das Rad mit dem noch provisorischen Vorderrad im wesentlichen fertiggestellt. Es fehlt nurmehr die Lichtanlage. Die endgültigen Reifen, die Kotflügel und ein Token Innenlager mit Achsbreite 103mm, Lagerbreite 68 sind hier verbaut. Bremsen und Schaltung sind fertig angepasst und funktionsfähig. Erste Wiegung nach der Vervollständigung mit Kurbel (TA Vega), Kette, Sattelstütze und Sattel zeigt etwa 20kg incl. schwerem Nabendynamo und Holzbrett. Für Touren wird das schwere Brett hinten weggelassen. Damit erreicht man wohl etwas unter 20kg. Das provisorische Vorderrad wird noch getauscht gegen eines mit dem extrem leichten SON 20R Nabendynamo, der Gabelschaft wird gekürzt, aber es müssen noch Beleuchtungsteile angebaut werden.

Erstklassig ist das Verhalten mit Beladung. Man merkt beim normalen Fahren keine Verschlechterung des Fahrverhaltens. Nur bergauf ist zusätzliche Beladung dann spürbar. Die Kindersitze wurden passend modifiziert, so dass der vordere der beiden weit genug hinten am Ladebrett verschraubt werden konnte, und man so gerade genug Platz zum Treten hat.

Und fertig

Fertiggebaut, im Touringsetup mit dem vorläufig endgültigen SON 28 Vorderrad. Sobald verfügbar kommt der SON 20R und ein Edelux Scheinwerfer an das Rad. Im Bild ist ein alter Lumotec Halogen Scheinwerfer montiert, verwendet wird dann aber zunächst ein Inoled 20+ und final der Edelux. Das Rad wiegt so wie abgebildet (mit Inoled) und ohne Werkzeug am Sattel 19.5kg.

Testfahrt

Der Abstand zwischen Sitz und Kindersitz ist gerade ausreichend, um Kollisionen der Füße zu vermeiden. Nur durch radikale Modifikation wie Abschneiden der Fußstützen ließe sich der Kindersitz noch etwas nach hinten verlagern. Darauf wird verzichtet. Die Reifen laufen sehr gut. Damit würde man gar nicht rechnen bei der Größe. Die Fahreigenschaften sind einwandfrei.

Surly Big Dummy: Einkaufsfahrt mit Beladung und besetztem Kindersitz
Surly Big Dummy: Einkaufsfahrt mit Beladung und besetztem Kindersitz

Sonstiges

  • Scheibenbremsen: die hintere Bremszange wird im heißgebremsten Zustand die linke Nylontasche hitzebedingt beschädigen. Hier sollte man an der Innenseite des Stoffes eine schützende Auflage ankleben oder -nähen.
  • Schaltnabe: die verbaute Shimano Alfine Schaltnabe mit 34/20 Übersetzung und 160er Kurbellänge erlaubt produktives Mittreten bis über 40km/h, gleichzeitig kann man nennenswerte Steigungen damit bewältigen. Die Steigfähigkeit eines gewöhnlichen MTB erreicht man damit allerdings nicht, insbes. wenn Ladung vorhanden ist.

Umrüstung auf NuVinci N360 Nabe 2012

Anfang 2012 wurde mein Big Dummy aus technischer Neugier vorübergehend auf eine NuVinci N360 CVP Schaltnabe umgerüstet. Bei dieser Gelegenheit wurden alle Antriebskomponenten gereinigt bzw. soweit verschlissen ausgetauscht. Kette, Kettenblatt und Alfine Ritzel waren bei etwa 9000km Laufleistung zwar sichtbar verschlissen, aber nicht kaputt. Die Laufräder waren noch in perfektem Zustand trotz meist starker Beladung, bergiger Touren und auch Offroadeinsätze. Auch die Alfine 8-Gang Nabe hatte sich immer tadellos verhalten. Dennoch wollte ich die vielgepriese NuVinci Nabe unbedingt an diesem Rad ausprobieren. Einige Punkte fielen damit auf:

Surly Big Dummy mit NuVinci N360 Nabe neu aufgebaut
Surly Big Dummy mit NuVinci N360 Nabe neu aufgebaut
  • Mein alter Alfine Kettenspanner war nicht für die NuVinci Kettenlinie (ca 49mm vs. 42mm) brauchbar. Man hätte zu viele Unterlegscheiben gebraucht, so daß nicht mehr genug Gewindegänge ins Schaltauge eingeschraubt werden können.
  • Gewicht: die NuVinci Nabe ist mit gewogenen 2,5kg ein Schwergewicht. Der erste subjektive Eindruck bei Montage und Einstellarbeiten ist, daß das Hinterrad merklich schwerer läuft als mit der Alfine 8-Gang Nabe.
  • Schaltbarkeit: man kann stufenlos schalten durch Drehen am Schaltgriff. Allerdings ist dies nicht ganz wiederstandsfrei. Gelegentlich ist der Griff schwergängig. Dann muß man leicht mittreten (bzw. im Stand warten bis man anfährt). Andererseits verstellte sich der Drehgriff in Fahrt. Dies kann aber durch Anziehen einer Justageschraube verhindert werden.
  • Handhabung: die Nabe läuft lautlos und ist einwandfrei einzubauen bzw. einzuspeichen, auch wenn alles aufgrund des enormen Gewichtes etwas mühsamer als gewohnt ist. Der Ausbau des Hinterrades ist allerdings doch nochmal um einiges fummliger als es bereits mit der Shimano Alfine Nabe war.
  • Kette/Ritzel: NuVinci spezifiziert Ketten mit einer Breite von 3/32″. Nichtsdestotrotz funktioniert beispielsweise eine Wippermann Connex 808 Kette (3/32″ breit, 6-8 fach Kettenschaltung) mit meinem offenbar zu breiten NuVinci Ritzel nicht ordentlich, da sie nicht sauber in die Zähne einläuft. Auf Empfehlung des Händlers wurde dann eine KMC Z1 RB Kette mit Erfolg verwendet.
  • Übersetzung: um das Fahrrad hinreichend kurz übersetzen zu können, muß man hart an der Maximalbelastbarkeit der Nabe lt. Spezifikation bleiben. Mit 34/18 scheint es mir noch minimal zu lang übersetzt. Daher gehe ich nun auf 34/20, was knapp ausserhalb der Spezifikation ist, allerdings verwende ich sehr kurze (160er) Kurbeln, die das wieder geraderücken.
  • Einspeichen: der Hersteller empfiehlt 2-fach gekreuztes Einspeichen bei 26″ Laufrädern, woran man sich auch halten sollte. Bei 3-fach gekreuzter Speichung entstehen zu starke Knickstellen bei den Nippeln.
  • Erstmals habe ich mit der Spank Subrosa Evo Felge das Nachfolgemodell der bisher immer verwendeten Spank Subrosa Felge gewählt. Die Evo Version ist schöner verarbeitet, kommt mir sogar subjektiv etwas leichter vor und hat einen sauber gemachten Felgenstoß statt des grob vernieteten alten Felgenstosses.
  • Wie schon bei der Alfine Nabe bieten die Surly Ausfallenden den Verdrehsicherungsringen wenig Gegenhalt. Es reicht halt grade so.

Verkauf

Das vielgenutzte Rad wurde letztendlich verkauft, um Raum für das erste Pedelec zu schaffen: Der Abschied vom Big Dummy. Gelegentlich vermisse ich dieses Utility Vehicle.

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