KTM Freeride-E Testtag

Am Mittwoch, den 18.7.2012 konnte ich die KTM Freeride Elektroenduro am KTM Gelände in Munderfing testfahren, nachdem ich mich über das KTM Blog beworben hatte. Der Event war extrem angenehm und aufschlußreich, da ich zum einen 2 Akkuladungen verfahren durfte, was einer Nettofahrzeit von 90 Minuten entspricht und somit ein guter Enduro-Workout ist. Zum anderen war ich mit dem Instruktor auf der Strecke alleine, da die anderen Testkandidaten aus welchen Gründen auch immer nicht erschienen waren. Eine geniale Session:

Hier mein Kurzbericht zu diesem Tag und diesem tollen Offroadmotorrad:

Das KTM Gelände hinter dem Motorenwerk in Munderfing habe ich mit etwas Glück auf Anhieb gefunden. Ein oranger Transporter war am Ausladen und hatte 4 Freerides drin. Der nette junge Herr stellte sich als Instruktor vor, und wir sind sofort ins Reden gekommen. Die Freerides wurden mit Akkus ausgestattet, und ich bekam eine Einweisung. Dabei wurde das Anzeigeinstrument auf dem Lenkkopf erklaert, sowie der Hauptschalter und der Anlassknopf. Und das wars eigentlich schon.

Anlassknopf?

Ja, in der Tat. Und zwar muss man den kurz drücken, bevor man fahren will. Das ist eine geheimnisvolle und sehr coole Sache. Zunächst wird das System mit dem großen roten Hauptschalter (ähnlich einem normalen Killschalter) gebootet, was durch eine Lichtorgel am Display signalisiert wird, und dann drückt man diesen Anlassknopf zur Aktivierung des Antriebs. Zum einen leuchtet dann die eingestellte Fahrstufe (1-3), zum anderen – und das ist das eigentlich coole – gibt das System dann ein sanftes Rauschen von sich. Ich war hin und weg von diesem dezenten Raumschiffsound, aber der Instruktor konnte mir das nicht technisch darlegen, was das wäre. Ich habe selbst keine Ahnung. Evtl. ein versteckter innerer Luefter? Jedenfalls, dieses ominöse und geheimnisvolle Rauschen legt dar: „du kannst jetzt“.

Alles weitere ist schnell gesagt: man fährt los. keine weiteren Fragen. 100% Spass. Nach ziemlich genau 45Minuten merkt man, dass es etwas müder wird, dann wechselt man den Akku.

Also die Umgewöhnung auf Handbremse links ist kein Thema. Nach 5 Minuten geht das. Tip: Finger an der Bremse lassen. Man würde beim Endurofahren ohnehin da die Kupplung ziehen, also kann man das sehr leicht auf die Bremse umlegen. Das Ins-Leere-Treten mit dem rechten Fuss ist dann schnell abgelegt. Die filigranen weißen Formula Bremsen sind übrigens im Offroadeinsatz wunderbar dosierbar und reichen auch perfekt aus. Ein Bremsquietschen, wie es von der Freeride 350 berichtet wird, hatte ich bei meinem Test nicht.

Der Motor ist feinste Kultur. Er kann alle Spielweisen. Supersanft bis bösartig. Die 30 PS sind absolut glaubwürdig und matchen erstaunlich gut damit, was ich von meiner WR250R und meiner früheren EXC200 als 30 PS kenne oder kannte. Passt. Grossartig ist, dass der Motor immer und jederzeit bereit ist. Den Drehzahlmismatch gibts hier nicht, also wenn man einen Anlieger versehentlich im falschen Gang anfahren wuerde. Wird nie mehr passieren. Auch genial ist, dass die Leistung nicht drehzahlabhaengig ist. Das ist schwer zu erklaeren, wirkt aber im Endurogebrauch subtil und sehr gutartig. Wenn bei gleicher Gasgriffstellung die Drehzahl hochgeht (beispielsweise bei Verlust des Bodenkontaktes), wird das Ding dabei nicht zum Monster, das einen bei der Landung abwirft. Mit einem 2T waere das beispielsweise durchaus denkbar. Alle motorischen Manöver, die ich vom Enduroeinsatz her kenne und anwende, gehen mit dem Gerät jederzeit und sehr einfach.

Der Motor haengt mikrofein am Gas und hat eine Kontrollierbarkeit, die man beim Verbrennungsmotor suchen muss. Man kann ihn so fahren wie einen gutartigen Enduromotor mit relativ viel Schwungmasse, aber da dieser Schwungmasseeffekt allein durch die Regelelektronik erzielt wird, ist sie im Nu weg, wenn man Stoff gibt. Dann zoomt einen die E-Freeride in den naechsten Anlieger. Und auch das tut sie mit 100% reproduzierbarer Antriebstransparenz und absoluter Berechenbarkeit. Dabei faellt dann beim Anbremsen auf Bodenwellen die suboptimale Gabel auf, aber das ist für mich weder neu noch überraschend. Da müßte dann im Ernstfall mal ein WP Profi drübergehen. Eine Macht ist das Geraet auf geschlängelten engen (Slalom-) Streckenstücken, wo man mit einem erstaunlichen Tempo und feiner Gaskontrolle durchzieht. Das entwickelt schnell einen Flow, der nicht mehr selbstverständlich ist.

Seit Jahren trainiere ich nicht mehr regelmäßig und viel zu wenig auf Endurostrecken, aber mit der Freeride kam ich heute auf Anhieb 100% klar, vermutlich sogar bei höherem Tempo als mit meiner WR. Das Gebotene würde für mich auch bei Motorsportanwendung im Endurobereich sicher ausreichen.

Das persönliche Fazit ist: sollte ich mich wieder zu regelmäßigem Endurosport aufraffen, dann ist die E-Freeride das Fahrzeug. Besser kann man m.E. nicht endurofahren. Das ist es. Letzendlich ist nurmehr die Akkulogistik zu klären, dann ist alles andere bereits perfekt. Und sehr erfreulich war dann noch ein abschliessender Schlüsseleffekt, nämlich der Rückumstieg auf meine WR250R, mit der ich zur Strecke gefahren war. Kein Schock, nicht befremdlich, alles vertraut. Sie sind sich nicht ganz unähnlich, irgendwie. Es passt zusammen.

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