Zu einem kleinen Großereignis kam es gestern für mich. Mein Händler hatte beim letzten Besuch angekündigt, daß man ein offenes CE 02 Elektromotorrad als Vorführer hereinbekäme, das ich mal ausprobieren könnte. Und so nutzte ich den gestrigen (freien) Tag zu einer Fahrt nach Passau, knapp 60km, um mit voller Ausrüstung (sprich: GoPro Kamera am Helm) endlich dieses coole kleine Elektromotorrad geniessen zu können. Wenn man dabei dann bei aller Ausrüstung den Geldbeutel samt Papieren vergisst, fährt man nochmal heim (knapp 60km) und nochmal hin (knapp 60km). Gut, daß der CE 04 Roller so schnell lädt, und gut, daß es nicht die ganze Zeit geschüttet hat, sondern es überwiegend moderat feucht blieb.
Mein persönliches Fazit dieser Aktion hat mich selbst am meisten überrascht. Damit hätte ich nicht gerechnet. Wer das ganze nun mit meinen Augen erleben will, schaut sich jetzt das Video an und liest dann weiter. Wer keinen Bock auf langwieriges Videoschauen hat, liest halt gleich weiter, glaubt mir mein Geschreibe nicht und schaut es sich dann doch im Video an 🙂 Denn ich glaube, daß man es im Video schon ganz gut mitfühlen kann, was ich mich da zu erkennen erdreiste.
Dazu mal wieder ein wichtiger Hinweis: Dieser Fahrbericht beruht auf einer ganz normalen Endkunden-Probefahrt bei einem offiziellen Händler der Marke. Es besteht abgesehen von meinem damaligen Motorradkauf bei diesem Händler keine Geschäftsbeziehung. Alles was ich hier zum Besten gebe, ist meine unverbindliche persönliche Meinung als normal zahlender Endverbraucher, und sonst nichts. Das gilt generell in diesem Blog, aber man kann es trotzdem nicht oft genug sagen. Ich bedanke mich bei meinem Händler für die Möglichkeit dieser kostenlosen und unverbindlichen Probefahrt. Es war für mich in der Tat erkenntnisreich.
Video
Textuelle Aufarbeitung
Kontext
Mein CE 04 im Video hat aktuell knapp 30.000km. Der getestete CE 02 war fast neu mit ca 150km am Tacho. Zwischen dem CE 02 und dem CE 04 liegen ca 5000€ und ca. 80kg. Beides sind naiv betrachtet Premium-Fahrzeuge von BMW mit entsprechend gehobenem Preis. Die Antriebsbauweise mit Einarmschwinge und Riemen wirkt visuell sehr ähnlich bei beiden Fahrzeugen, obgleich die Chassis-Konstruktion sich sehr stark unterscheidet.
Meine Erwartungen
Als langjähriger Enduro- und Supermotofahrer mit Faible für schmale, leichte und gern auch etwas kleinere Motorräder (zuweilen als „Funbikes“ bezeichnet) war ich vom Design des CE 02 von Anfang an total begeistert. In Kenntnis der beeindruckenden und total präzisen Antriebstechnik des schweren CE 04 „Einbaumes“ war meine naive Einschätzung des CE 02 naheliegenderweise etwas realitätsfern: quasi die Vereinigung der Stärken beider (sehr unterschiedlicher) Fahrzeuge, ein aktuelles Design-Funbike mit kompakt vorderradorientierter fahraktiver Sitzhaltung und eben einem relativ mächtigen und eleganten Elektroantrieb. Und das muss ich jetzt doch stark korrigieren. Das war nicht im erwarteten Masse zutreffend.
Die Fahrt
Die ersten Erkenntnisse kamen direkt nach Beginn der Fahrt, wie man auch im Video sieht. Bereits die ersten 100m offenbarten, daß der Antrieb des CE 02 trotz der visuell ähnlichen Konstruktion mit dem CE 04 wenig vergleichbar ist. Das gesamte Ansprechverhalten, die Rekuperation, die Antriebsregelung arbeiten nicht auf dem superhohen Niveau des CE 04. Es fühlt sich weicher und etwas indifferent an. Man kann nicht jeder spezifischen Drehgriffstellung ein Antriebsverhalten zuordnen, sondern es drängt sich hier der leidige Eindruck herkömmlicher 4T 125er auf, wo es irgendwann egal ist, ob der Drehgriff schwächer oder stärker aufgedreht ist, es passiert einfach nicht mehr viel. Beim CE 04 hat jeder noch so kleine Drehwinkel des Drehgriffs eine Auswirkung, sei es in Beschleunigung oder in Verzögerung durch Rekuperation. Du merkst jedes Grad Drehung. Immer. Milliampereweise, man könnte quasi ein Amperemeter dranhängen.
Und dabei ist der CE 02 Antriebs-Geräuschpegel beim Fahren subjektiv lauter, viel leiernder und unangenehmer als das etwas fiese aber feine und im Fahrtwind verschwindende Pfeifen beim CE 04. Der CE 02 ist immer laut, immer hörbar, akustisch immer irgendwie unelegant. Von diversen Elektrofahrzeugen der „125er Klasse“ am Markt liest oder weiß man, daß die verfügbare Spitzenleistung weit über der Nennleistung von 15PS liegt. Das ist ja eine der elektrotypisch reizvollen Eigenschaften dieser Antriebskategorie. Und diesen Effekt habe ich vermisst. Das hat man vielleicht im unteren Lowspeed Bereich noch, da kommt auch der CE 02 gut aus dem Quark, aber bereits deutlich unterhalb von 50km/h wird der CE 02 zu einem normalen „Moped“ ohne diesen angenehmen mühelosen elektrischen Extraschub. Da passiert einfach abgesehen vom Antriebsgeräusch nicht mehr wirklich viel. Das fühlt sich komplett anders an als beim CE 04, wo man diesen hochpräzisen und so mühelosen wie unerbittlichen, dabei total eleganten Warp-Start eines Raumgleiters zur Verfügung hat. Diese Eleganz und Coolness bietet der CE 02 leider nicht. Und das hat mich voll überrascht. Weil billig ist dieses kleine BMW Motorrad ja nun nicht, und das Design sowie die visuelle Antriebstechnik versprechen viel.
Die Haupterkenntnis für mich als CE 04 Fahrer ist, daß der große Einbaum unerreicht bleibt in allen Kategorien. Insbesondere auch im reinen Fahrspass-Ranking kommt der leichte und supercoole CE 02 nicht annähernd an den schweren Einbaum hin. Und damit hatte ich definitiv nicht gerechnet.
Unbewertet
Völlig unbetrachtet bleiben in diesem Kurzbericht Themen wie „Alltagstauglichkeit“, „Bedienkonzept“, „Display“, „Fahrwerksqualität“, „Handlichkeit“. Der Grund dafür ist, daß ich gar nicht die Zeit und Lust hatte, solch feine Details im Sinne eines Fahrzeugtests zu ergründen, sowie mein angeborener Respekt vor dem Eigentum anderer. Es war patschnass auf den Straßen, ich kenne die Bereifung des Fahrzeugs absolut nicht, es gab keinen Spielraum für Experimente. Gerne hätte ich noch ein wenig mit Kurven und Schräglagen und vielleicht auch den Bremsen experimentiert, aber das war nicht drin. Sorry. Beschränkung auf die ganz grundlegenden Aspekte des Fahrens war geboten, und bereits das war wie beschrieben ungemein aussagekräftig für mich.
Mein Fazit
Als CE 04 Fahrer bin ich zurecht auf hohem Ross unterwegs. Es gibt keinen Grund für irgendeinen CE 02 Neid. Alle Aspekte des Fahrens inklusive der Fahrspaßwertung sprechen klar für den großen Bruder. Stechend sind für mich dabei die Themen Antriebsregelung sowie Lärmentwicklung. Und auch die Antriebsleistung des CE 02 haut mich nicht vom Hocker, anders als beim CE 04, der einen selbst nach 30.000km immer wieder überrascht, wenn man unbedarft im Dynamikmodus startet. Beim CE 04 Launch-Effekt kann es einem schon mal schwindlig werden im ersten Moment, weil man es mental irgendwie nie erwartet, mangels jedweden Infernos oder technischen Gefuddels mit irgendwelchen oldstyle Bedienelementen.
Für den CE 02 spricht (neben dem spezifischen Design) natürlich das niedrige Gewicht und die viel einfachere Manövrierbarkeit und Handhabung in der Alltagshektik, da bin ich sicher. Der CE 04 ist im hektischen innerstädtischen Alltagsgebrauch, wo es viel weniger auf die Fahrqualität ankommt stark überdimensioniert und übergewichtig.
Letztendlich würde ich sagen, daß ich nach dieser Probefahrt den CE 02 als weniger wertig, den CE 04 dafür umso höherwertiger einschätze. Diese Schere ist weiter auf- statt zugegangen. Erwartet hatte ich das Gegenteil, nämlich eine zumindest gefühlt ähnliche Fahrperformance mit klarem Fun Factor seitens des tendentiell enduroartigen leichten CE 02. Das hat sich nicht bewahrheitet.