Über die Sinnhaftigkeit elektrounterstützter Rennräder wurden vermutlich schon ganze Bücher geschrieben. Kurz meine Einschätzung: mit 13,5kg ist dies ein leichtes Pedelec, aber es ist andererseits kein 7,5kg Rad, und das wird für sportlichere Fahrer der Haupt-Knackpunkt sein. 7,5kg Rennrad-Feeling gibt es ausschließlich mit 7,5kg Rennrad. Abgesehen davon hätte man hier ein sehr effektiv arbeitendes sowie schnell und sportlich fahrbares Straßenrad mit aktueller Rennrad- und vollintegrierter Antriebstechnologie, welches bei Gegenwind, bergauf, oder wenn man schlapp macht eben noch den rettenden Elektroschub bietet. Im Zuge der bisherigen 3380km mit meinem etwas leichter gebauten Cube Cross Hybrid One habe ich erfahren, daß diese Elektrounterstützung – wenngleich relativ dezent und in der Ebene dank 25km/h Abregelns nur selten im Einsatz – über längere Strecken eben doch viel bringt. In Summe bist du dann weniger fertig oder kommst einfach weiter, denn die zahlreichen kleineren Anstiege oder anderweitig mühsamen Teilstrecken verlieren ihre Mühsal. Das kann auch ein Motivationsfaktor sein, muß natürlich nicht.
Was kann also so ein „Elektrorennrad“? Für mich wäre es immer noch ein sportliches Langstrecken-Pendlerrad, vorzugsweise für Schönwetterfahrten. Schlechtwetterumrüstung bei so einem Rad muß man mögen. Das wäre nicht schmerzfrei, gleichwohl ist es in der Praxis ggfs. erforderlich. Der leichte Fazua Antrieb mit dem 250Wh Akku limitiert zwar die Reichweite, aber das ist dann in erster Linie abhängig von den zu fahrenden Höhenmetern zu beurteilen. In der Ebene ist es fast egal, denn da wird dieses Rad kaum jemals unter 25km/h fallen.
Mein persönliches Pro und Kontra:
- Technologie: Aktuelle feine Rennradkomponenten und -technik statt klobiger Billigkomponenten oder bleischwerer Rahmen- und Gabelteile, wie sie an so vielen Touren- oder Straßen-Pedelecs verbaut werden.
- Vollintegrierte Bauweise: der Fazua Antrieb ist zuverlässig und tut was er soll, dabei integriert er sich visuell perfekt in dieses Rad. Gerade wer die typische Pedelec-Form mit dickem breitem Motor und Akkubeule sowie zuweilen auch noch seltsam verlaufender Rahmenrohre garnicht mag, wird hier keinen Ansatz zur Kritik finden. Modern, zeitgemäß, gefällig. Ein aus jedem Blickwinkel schönes Rad.
- Minimalistisch: Keinerlei zusätzlicher Kabel- und Technikkrempel. Die an manchen Pedelecs zu sehenden Zusatzleitungen, Lenkerarmaturen, Antriebsgeraffel, Kettenleitteile, was weiß ich, gibt es hier nicht. Auch das Fazua Steuerelement ist sehr klein und stört am Rennradlenker nicht.
- Dies ist wirklich ein Fahrrad, kein Panzer. Trittst du ohne Motorunterstützung, so hast du keine Nachteile gegenüber einem Rad ohne Hilfsantrieb. Da glänzt der Fazua Antrieb. Nebenbei könnte man die gesamte Akku-/Motoreinheit auch entfernen und auf diese Weise ein ~10kg Rennrad draus machen. Immerhin.
- Handhabung: die Akku-/Motoreinheit muß immer entnommen werden und vor dem Wiedereinbau eingeschaltet werden. Etwas frickelig.
- Reichweite: bei dem Punkt fällt der Zwittercharakter negativ auf. Wenn ich ein elektrounterstütztes Rad fahre, will ich schon eine nennenswerte Reichweite haben. Mit dem Fazua Antrieb und dessen 250Wh Akku habe ich keine Chance auf längere Fahrten bei unterstützendem Antrieb. Ich muß also auf jeden Fall selbst sportlich Strecke machen, um den Akku nicht zu schnell auszuleeren. Das ist definitiv im Sinne dieses Rades, aber es bedeutet, daß man im ungeplanten Fall keine großen Notlaufeigenschaften hat.
Ich kann den aktuellen Bosch Active Line Plus Antrieb mit dem Fazua Antrieb des von mir 2 Wochen lang gefahrenen Prototyp-Pedelecs vergleichen. Ich weiß sicher für mich selbst, daß die Fahrzeugmasse auch beim Pedelec eine große Rolle spielt. Das kann man nicht wegdiskutieren. Ein schwerer Klotz von Fahrrad wird weniger Fahrfreude bereiten als ein leichtes Rad.
Der Bosch nun ist ein typischer und solider Pedelecantrieb, etwas klobig, ein bisschen visueller Altherrenfaktor mit diesem seitlich rausstehenden Motor, beste Laufeigenschaften, komfortabel, ausgereift, schwerer. Von der Fahrdynamik und der sportlichen Fahrbarkeit her ist der Bosch dem Fazua sicher ebenbürtig, also diesbezüglich ist die Bezeichnung „Altherren“ unzutreffend.
Der Fazua ist ein sehr geschickter und leichter „Hilfsantrieb“, dessen Idee sicher nicht der Dauerbetrieb ist. Aber im Gegensatz zu total versteckten Spezial-Leichtantrieben, die es speziell für Rennräder gibt, ist der Fazua dann auch wieder ein solider Pedelecantrieb mit etwas begrenzter Reichweite. Also ein Zwischending mit klar sportlicherer Ausrichtung („sportlich“ immer im Sinne von „wirklich sportlich“, nicht im Sinne von „Antriebssport“ oder „Turbo“-Bla).
Das Agree Hybrid SL mit dessen gelungener Carbon-Rahmen-Formgebung und der vollkommen unaufgeblähten sehr technisch wirkenden Antriebsintegration ist absolut reizvoll, allerdings auch nicht billig. Visuell geraten die herkömmlichen Mittelmotor-Pedelecs da hoffnungslos ins Hintertreffen. Und du hast keinerlei Frust wegen anderweitig pedelec-typischen Wühlkorb-Billigkomponenten. Beim Agree Hybrid passt alles perfekt, da muß man nichts nachrüsten, was bei dem Kaufpreis dann irgendwo auch in Ordnung geht. Dann wiederum kommt selbstverständlich die 7,5kg Rennrad Keule. Und sowas kriegst du heute wunderschön zu etwas mehr als dem halben Preis des Cube, bei identischer Komponentenqualität. Das musst du letztendlich allein und selbst für dich entscheiden, da kann niemand helfen. Meine Entscheidung Ende 2017 für den Active Line Plus war die Pragmatische: Ich wollte ein „Pedelec“, nun habe ich eins. Sportlich fahren kann ich damit recht gut. Weit kommen tue ich auch. Rennrad ist es allerdings keins und edel ist es auch nicht.