Ein Meilenstein im Blog – 2008 zum Thema des damals selbst aufgebauten und viel gefahrenen Surly Big Dummy Transport- und Tourenrades gegründet, mehrmals thematisch erweitert, und heute wieder zurück beim Thema Transportfahrrad.
Vor etwa einem Jahr habe ich das Lastenrad Thema wieder aufgegriffen um einen Überblick zu bekommen. Es wurde lange überlegt, es gab einige Probefahrten, und gescheitert war es letztendlich an der Finanzierung. Auch ein Arbeitgeber-Fahrradleasing war nicht zu machen gewesen.
Jetzt kamen ganz kurzfristig zwei Dinge zusammen: Mir wurde total überraschend und lieb familiär unter die Arme gegriffen. Zum zweiten hatte ich das Glück, ein temporäres Angebot eines weit entfernten Händlers nutzen zu können, welcher lagernde Modelle mit 20% Ermässigung abverkaufte:
Händler
Das Thema Händler ist nämlich bei Yoonit so eine Sache. Wir wohnen genau im Mittelpunkt einer riesigen händlerlosen Zone. Linz oder München sind die nächsten Händler in der offiziellen Yoonit Dealer Map. Die Probefahrt hatte ich bei einem Yoonit Händler in Rosenheim (also nicht ganz so weit wie München) machen können. Eigentlich wäre der Plan gewesen, dort dann auch zu kaufen, sobald die Finanzierung steht. Bei meinen letzten Checks im Winter 2023 war dieser Händler dann auf einmal nicht mehr in der Dealer Map, und Yoonit war auf der Händlerwebseite auch nicht mehr gelistet. Somit fiel auch diese Möglichkeit flach.
Bei weiteren Websuchen geriet ich dann auf ein sehr attraktives Angebot eines Lastenradspezialisten in der Wiener Gegend. Beruflich bin ich regelmässig in Wien, was aber die Distanz von über 300km auch nicht verkleinert. Für einen Radkauf ist das ein bisschen weit weg. Meine Telefonate mit dem Händler waren aber vielversprechend. Das schien ganz genau meine Wunschfirma zu sein. Und jetzt kommts: Es gibt einen Remote-Service, bei dem der Händler innerhalb Österreichs zum Kunden kommt! Und es gab tatsächlich lagernde 2023er Modelle in meiner Wunschfarbe. Nur auf den ursprünglich von mir bevorzugten Carbonriemen statt Kette musste ich verzichten, der war nicht mehr verfügbar. Dafür gibt es den neuen EP6 Antrieb mit SC-EN500 Display und der Nexus Inter5e Di2 Schaltnabe mit 2 Auto-Schaltmodi sowie manuellem Schalten über Buttons. Und das Paket zu dem Preis war dann ausschlaggebend.
Kauf
Und so konnte ich Anfang letzter Woche bei ebendiesem coolen, kompetenten und freundlichen Fachhändler aus dem Grossraum Wien ein 2023er Yoonit Mini Cargo Bike mit EP6 Antrieb in Wunschfarbe Storm Blue bestellen. Der Händler ermöglichte mir via fliegender Filiale die Abholung im Salzburger Land, also in zumutbarer Entfernung, jedenfalls weit näher als jeder offizielle Händler der Yoonit Dealer Map, und er bot mir sogar eine sichere Zahlweise an. Die ganze Abwicklung war total erfreulich, ein Lichtblick in Anbetracht des heftigen grippalen Infekts die ganze Woche hindurch. Und es hat alles geklappt wie am Schnürchen. Wenngleich heute zur Abholung ein Leihtransporter zum Einsatz gekommen ist, müsste das Yoonit auch in einen normalen PKW Kombi mit umgelegten Sitzen passen. Allerdings ist der Lenkturm sperrig, zumal der Lenker nicht 90 Grad einschlägt. Vermutlich müsste man den Vorbau samt Lenker vom Lenkschaft abnehmen und mit Kabelbindern am Lenkschaft fixieren. Eng und hakelig zu verladen wäre es auf jeden Fall, aber finde erstmal ein echtes Cargobike, welches auch nur im entferntesten die Chance bietet, in einen normalen Familien-PKW verladen werden zu können!
Das Yoonit im Keller
Ja, ich kriege dieses Lasten-Pedelec alleine und ohne fremde Hilfe über die schmale Kellertreppe runter und kann es dann problemlos die verwinkelte Strecke zum Fahrradraum durchrangieren. Das wäre mit herkömmlichen Lastenrädern völlig ausgeschlossen, selbst wenn sie ohne Elektroantrieb auskämen. Und das Beste: ich kriege es die Treppe auch wieder alleine hoch bugsiert! Dazu muß man ein wenig anders arbeiten als bei herkömmlichen Fahrrädern, aber es geht. Das Yoonit muß aufgrund der kleinen Räder mehr hinaufgezogen werden. Schiebend hat man keine Chance über die Stufen. Voraussetzung für derartige Transaktionen ist die vorherige Demontage des Gepäcksystems, was mit drei Schnellspannern zu bewerkstelligen ist (ein riesiger Vorteil gegenüber Lastenrädern mit breiten Ladebuchten). Zudem nimmt man am besten auch den Akku und das nachträglich montierte schwere Schloss ab.
Ersteindruck
Das Rad wird zentraler Bestandteil dieses Blogs werden. Heute möchte ich – noch ganz unerfahren – meine ersten Eindrücke wiedergeben. Das wird sich im Lauf der Zeit dann alles noch konkretisieren oder korrigieren, je nachdem.
- Farbe: „Storm Blue“ ist ein seidenmattes blaustichiges Grau. Bei Sonnenlicht wirkt es blauer und heller, bei Düsternis ist es fast wie dunkles Grau. Es wirkt technisch, dezent und cool. Die Herstellerbeschriftung in silbrigem Hellgrau passt perfekt dazu. Ich finde diese Lackierung echt schön.
- Ausstattung: Stimmig, funktional, hochwertig, aufgeräumt und gut designed. Der Speichenmagnet und -sensor am Hinterrad als Geschwindigkeitsindikator des Steps Systems würde bei Konfiguration ohne Schaltnabe eleganter gehen, nämlich integriert in die Bremsscheibe. Hier ist er aber unvermeidlich, zumal man einen relativ komplexen Hinterbau mit verschiebbaren Ausfallenden hat. Damit wird ein umständlicher Kettenspanner vermieden.
Die bei Fahrrädern oft ungeliebten Schutzbleche integrieren sich hier visuell, sind leicht und passen perfekt für die verbauten Reifengrössen. Besonderer Eyecatcher ist dabei das ins hintere Schutzblech integrierte – übrigens sehr helle – Mini-Rücklicht. Sogar die Klingel ist was besonderes. - Zugverlegung: Alle Leitungen (und das sind viele) sind extern verlegt. Das ist ordentlich und durchdacht gemacht. Überall sind geschraubte Leitungsführungen, alles ist sauber gebündelt. Ich finde zwar innenverlegte Leitungen an Fahrrädern super attraktiv, aber gemessen an der großen Menge der Leitungen am Yoonit ist das hier auch bei Aussenverlegung visuell schön gelöst, zumal es auch erheblich wartungsfreundlicher ist.
- Konstruktion: Der Gesamteindruck aus Sicht des langjährigen Fahrradfreundes, der Scan nach „Autsch“-Effekten, nach Wühlkorb-Komponenten, unausgegorenen Lösungen, visuell schrecklichen Dingen. Das Yoonit in Storm Blue ist ein wunderbares technisches Utility Vehicle. Rahmenbau, Motorintegration, Hinterbau und Hinterradaufhängung, die Steuermechanik, der Lenkungsdämpfer, die Reifen, die Komponentenwahl beim Lenker, all das passt auch im Detail. Man hat original Shimano Kurbelarme (im Zusammenhang mit den leichten Hohlachsen der Steps Antriebe gab es zuweilen Probleme mit manchem Fremdhersteller). Nichts ist klobig unförmig, unpassend. Das Rad ist „aus einem Guß“. Yoonit macht einen super Job, würde ich sagen. Und hatte ich erwähnt, daß ich Monostay (Wishbone) Hinterbauten schon immer liebe?
- Laufradsatz: Überraschend ist die Kombination aus einfach gekreuztem Speichschema mit starken Magura Scheibenbremsen. Wieso ist das so? Würde man hier 2- oder 3-fach gekreuzt einspeichen, um das starke Bremsmoment von der Nabe besser auf die Felge übertragen zu können, so hätte man bei diesen winzigen Rädern speziell bei der grossen Schaltnabe hinten notgedrungen starke Knickwinkel bei den Speichennippeln, was zu Speichenbrüchen führen kann. Zwei solche Fälle hatte ich in den letzten 10 Jahren bei eigentlich perfekt verarbeiteten Laufrädern. Man entscheidet sich hier also für eine fast radiale Speichung, bei erhöhter Speichenzahl und soliden sehr kleinen Laufradkomponenten ohne Leichtbau. Der Tradeoff könnte schon aufgehen. Mehr Laufrad-Verwindung bei starken Bremsungen (ohnehin limitiert durch die sehr kleinen Räder), dafür aber kein „statischer Verschleiß“ dank der Vermeidung von Speichenknicken. Eine interessante Lösung, aber keinesfalls bei normal großen Fahrradrädern machbar! Die Qualität der Räder ist ok. Ordentlich hohe Speichenspannung, guter Rundlauf, die Gleichmässigkeit der Speichenspannung würde man durch Eigenbau vielleicht etwas besser hinkriegen, wobei es hier keine spannungsangleichend verwindenden Überkreuzungen gibt. Die Speichen berühren sich nicht gegenseitig, somit fallen Unterschiede stärker auf. Gut auch: die Scheibenbremsen schleifen nicht. An einem Neurad ist das ungewöhnlich! Magura ist was das lästige minimale Anschleifen angeht m.M.n. weniger anfällig als Shimano. Also insgesamt ein bemerkenswert guter Auslieferungszustand.
- Steps/Di2 System: Kompaktes funktionales Display mit eigenem Lichtschalter statt Lichtaktivierung in einem Untermenü (finde ich wichtig) sowie Di2 Integration. LED Beleuchtung am Steps System angeschlossen. 504Wh Akku der neuen Generation von Shimano, Steps Verkabelung mit dünnen SD300 Steckern. Aktuelle funktionale technische Komponenten, nichts ist plump, übergroß, billig.
Bedientipps:
Löschen der Trip Distanz (DST) mittels 2sek. Drücken der Menütaste (die kleine runde mittige Taste) bis die DST Zahl blinkt, dann Taste auslassen und sofort erneut kurz drücken.
Schiebehilfe mittels 2sek. Drücken der Unterstützungs-Reduzierungstaste bis ein Fuß oben im Display erscheint, ab dann Schiebehilfe solange Druck auf ebendiese Taste, zur Deaktivierung des Schiebehilfe Modus Druck auf die Unterstützungs-Erhöhungstaste.
Di2 Feineinstellung: im „Gear“ Anzeigemodus ganz lang auf den mittigen runden Menübutton bis Anzeige „Adjust“, dann mit den Shiftbuttons zwischen -4 und +4 feineinstellen.
Einstellung der Schaltautomatik muss über die Shimano E-Tube Software und das PCE2 Interfacekabel vorgenommen werden.
Fotos
Erste Fotos nach Ankunft des Rades. Bessere Bilder kommen bei den ersten Schönwetterfahrten.
Größenvergleich und Gewicht
Der Vergleich zweier Shimano Steps Pedelecs: das kompakte 15kg leichte e8000 Rad vom Typ BMC Alpenchallenge Amp ist minimal kürzer als das EP6 getriebene Yoonit Electric Mini Cargo Bike bei demontiertem Gepäcksystem.
Das folgende Bild zeigt die Waage, an der das Yoonit hängt, und zwar exakt so wie es im vorigen Foto gezeigt ist, also ohne Steps Akku, ohne das serienmässige Radschloß vorne, und ohne Gepäcksystem, ansonsten fahrfertig mit Pedalen. Man liest knapp 25kg ab.
Anpassung, Upgrades, Zubehör
- Pedale: Wir verwenden Shimano XT PD-T8000 Plattformpedale mit einseitigem Klicksystem sowie den vorgeschriebenen Reflektoren.
- Schloss: Abus Bordo Big Alarm 6000KA. Das Rad wird im Alltag benutzt und auch abgestellt. Das Schloss hat zwei Absperrpositionen, eine mit und eine ohne Alarm, was gut zu wissen ist, denn bei Finsternis oder schwer zugänglichen Bedingungen löst sonst der Alarm beim Hantieren u.U. ungewollt aus. Das serienmässig vorhandene mit dem Akkuschloß gleichschliessende Abus Radschloß am Vorderrad haben wir entfernt. Ein Schloss mit gehobenem Sicherheitsniveau ist sinnvoll und zudem auch Bedingungen für eine…
- Versicherung: erstmals überhaupt haben wir ein Neurad versichert. Neben Diebstahl sind auch technische Gebrechen wie elektrische Probleme, Akkuversagen (sogar bei nicht sachgemässer Handhabung) und Verschleißschäden versichert. Der Tipp kam vom Händler selbst, und beim Anschaffungspreis dieses Rades dürfte die Entscheidung zu rechtfertigen sein. Bemerkenswert ist dabei, daß diese konkrete umfassende Fahrradversicherung zwar eine der günstigeren, absolut gesehen aber erheblich teurer als die Vollkaskoversicherung meines CE 04 E-Rollers ist. Letztere deckt natürlich keine Reparaturen und Akkuschäden ab, dafür hat man den dreifachen Fahrzeug-Grundpreis.
- Steps Anschluß: Das Yoonit hat das neuere dünne SD300 Steckersystem. Mein PCE2 Interface verfügt nur über SD50 Kabel. Am Yoonit finde ich keinen freien Steckplatz. Somit peile ich eine zusätzliche SD300 Anschlußweiche, zwei SD300 Kabel sowie einen Steckadapter SD50 auf SD300 an. Anschluß des PCE2 Interface sollte dann über die externe Weiche und den Display-Steckplatz sowie den Adapter im PCE2 Kabel funktionieren.
- Smartphonehalter: Im Fundus befand sich eine hochwertige Smartphone-Lenkerhalterung, die ich zeitweise am früheren leichten Straßenrad verwendet hatte. Aufgrund der ungünstigen Lage im ständig tropfenden Schweiß habe ich das Teil irgendwann demontiert. Beim Cargobike könnte das Ding im Alltagseinsatz einen Nutzwert entwickeln. Daher wurde es testweise am Lenker montiert. Solange der Ausleger nicht beim Beladen stört, bleibt er mal dran.
Fahren
So gespannt ich auch bin, wie sich die Nexus im Automatikmodus schaltet, wie dieses Rad in der Praxis dann fährt, wie der Antrieb läuft, dieses Kapitel muß ich nachreichen sobald erstens meine Gesundheit es sinnvoll erlaubt, und zweitens das Wetter zumindest so ist, daß das Rad nicht bei der ersten Fahrt schon winterlich eingesaut wird. Ich freue mich drauf! Meine Frau hat die erste Einkaufsfahrt jedenfalls bereits erledigt und erste interne Erfahrungen berichtet.
Steps Konfiguration
Die oben angesprochenen SD300 Kabel und Adapter zur Verwendung des vorhandenen Shimano Steps PCE2 Interface mit dem Yoonit Steps Systen sind eingetroffen und wurden erfolgreich getestet. Ich habe den Anschluß an der Schalteinheit (rechts am Lenker) verwendet, weil er leicht zugänglich ist. Das Shimano Spezialtool zum Abziehen von Steps Kabeln leistet hier wertvolle Dienste. Das PCE2 Kastl wird mittels eines SD50-SD300 Kabeladapters und eines kurzen SD300 Kabels an einer SD300 Weiche eingesteckt. Dort wird auch die Leitung vom Yoonit, sowie über ein weiteres SD300 Kabel die Schalteinheit verbunden. Somit hat man sämtliche Steps Komponenten auf einmal in der Konfiguration.
Als Radumfang ist ab Werk 1430mm eingestellt. Damit weicht die vom Steps System angegebene Geschwindigkeit etwas ab vom Garmin Edge 130 GPS. Die Unterstützung flaut in Richtung echter 25km/h ab.
Firmware Update: Einer der sehr erfreulichen Aspekte von Shimano Steps Systemen war und ist die Möglichkeit, Firmware Updates als Enduser selbst aufzuspielen. Shimano ermöglicht dies sogar über Funk, sofern die Komponenten am Fahrrad Bluetooth Connectivity besitzen, was beim EN500 Display des Yoonit nicht der Fall ist. Ohnehin sind Firmware Updates per Bluetooth eine riskante Sache. Bei Fehlern kann man sich den Antrieb bricken, und dann braucht man schnelle Händler-Interaktion oder befreundete Poweruser. Insofern ist das Shimano PCE2 Interface speziell fürs Yoonit eine Pflichtanschaffung zum Aufspielen von Updates. Ich nutze mein vorhandenes Steps Toolkit zum einen für Firmwareupdates, zum anderen für die Feineinstellung von Antriebsunterstützung und Schaltung. Der starke Steps EP6 Antrieb darf bei meinem Einsatz etwas sanfter zur Sache gehen. Das schont die Kette und bringt ggfs. Reichweite. Der Automatikmodus der Di2 Nabenschaltung ist ab Werk in den oberen beiden Gängen nicht wirklich verwendbar. Da flippt die Schaltung, vermutlich aufgrund der großen Gangsprünge der Inter5e Nabe. Das lässt sich verbessern. Genaueres zu diesem Thema folgt hier.