Sportlich Rad fahren mit Pedelec?

Mit dem Boom kommen die Kritiker. Zuweilen gibt es selbst unter Radfahrern Aversionen gegen Pedelecs. Fragt man nach, so kriegt man eher emotionale oder polemische Argumente zu hören. Ich hätte selbst keine Einwände gegen lärmarme, kleine, leichtgewichtigere, menschenfreundlichere (Transport-)Mobilität statt laut nagelnder stinkender und alles blockierender Diesel-Kisten, oder der täglichen PKW Flut.
Meine Geschichte bis zum ersten Pedelec ist im Blog nachlesbar. Wie bei vielen meiner Fahrzeuge war die Idee neben dem technischen Interesse, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Alltagsnutzen, Sport, Pendeln, Ausflüge, Spaß, effiziente Mobilität.

Während der langen Wartezeiten haben sich allerdings meine eigenen Umstände stark verändert. Das letztendlich gekaufte Pedelec, ein preisgünstiges Cube Cross Hybrid One mit dem 2018er Bosch Active Line Plus Antrieb ist die Konsequenz daraus: minimal ausgestattet, leicht und leichtgängig, effizient, optimierbar. Das Rad ist strassenverkehrstauglich (für mich bei einem 18kg Fahrrad unverzichtbar), wurde aber nicht primär für Alltagsnutzung beschafft. Man denke beispielsweise an die Look Keo 3 Pedale an diesem Rad, welche mit Schuhen gefahren werden müssen, die im Alltag unbrauchbar sind. Der Sinn des Cube war für mich zunächst die breitensportliche bis ambitioniertere Nutzung,

teils mit Reha-Gedanken (Knie), teils einfach mit Freude am Sport und an der aktuellen Technik. Ich behaupte, Pedelec und Sport widerspricht sich nicht, schon gar nicht bei der rigorosen 25km/h Abregel-Politik, welche jedweden Nutzungskomfort beim Strecke machen mit solchen Fahrzeugen unterbindet. Und es versteht sich, daß unmotorisierte Leichtbau-Sporträder ihren ganz eigenen starken Reiz haben, den man auch nur mit so etwas bekommen kann.
Meine Ideen dazu, nach 30 Jahren Fahrrad, nach 700km mit dem neuen Pedelec, nach der gestrigen sehr intensiven Runde und der heutigen zügigen 60km Runde stehen unten.

Inndamm bei Egglfing mit Pedelec
Inndamm bei Egglfing mit Pedelec

Auf ebener Strecke, sei es nun asfaltiert oder festgefahren unasfaltiert bist du beim normalen Pedelec für Straßeneinsatz zwangsläufig ohne Antrieb und somit sportlich unterwegs, sofern du nicht freiwillig langsam fährst, um bequemerweise den Motor zu aktivieren. Davon ausgenommen sind vielleicht Holland- oder Einkaufsräder, sowie Antriebe, deren Eigenwiderstand die Frustschwelle so hoch legt, daß man auf Eigenleistung über 25km/h gerne verzichtet und sich somit in die unterstützte Zone mit eher passiver Beinbewegung fallen lässt.
Diese Erkenntnis ist für langjährige Radfahrer nicht überraschend, und genau deswegen war auch mein erster Anschaffungsgedanke beim Pedelec das S-Pedelec mit 45km/h Zulassung und Nummerntaferl. Nur da bringt dir beim Streckemachen der Antrieb überhaupt etwas. Leider unterliegen solche Räder bei uns einer hochkomplizierten und so lästigen wie undurchschaubaren Gesetzgebung, beispielsweise wo man fahren darf und wo nicht, so daß hier eine ganz andere Frustschwelle zum Tragen kommt.

Ein 25km/h Pedelec im fließenden Straßenverkehr ist i.W. ein Fahrrad, weil in den meisten Fahrsituationen gar kein Antrieb mitarbeitet. Dank 25km/h Abregellimit ist der nämlich beim normalen Fahren stillgeschaltet. Das wird glaube ich oft vergessen, oder aber einfach falsch gesehen. Du hast ein schweres hochstabiles robustes und (abgesehen vielleicht von Fehlkonstruktionen und Bastlermobilen) narrensicher fahr- und bedienbares Rad, weit weg von typischen schnellen Leichtbau-Sporträdern, hast einen kleinen Hilfsantrieb bis 25km/h, also eine reine Bergauf- oder Beschleunigungshilfe, kein Vergleich zu 90km/h Passabfahrten mit einem 8kg Rennrad, vielmehr eine gewichtsbedingt behäbige und narrensichere Fahrdynamik, und musst dich einer Sinnhaftigkeits- und Sicherheitsdiskussion stellen. Dafür mag es zielgruppenbedingt spezielle Gründe geben, aber an der Fahrzeugklasse liegt das sicher nicht. Meine Kritik an der Pedelec-Polemik betrifft auch die Bürokratie mit Bauteilen solcher Fahrräder.

Wenn Pedelecs spezieller Bauteile bedürfen, dann bedürfen 8kg Leichtbau-Sporträder noch viel speziellerer Bauteile. Genau so wie MTBs. Die Belastungen bei sportlich betriebenen unmotorisierten Fahrrädern sind höher als bei normalen Pedelecs im Straßeneinsatz (und man sieht ja ohnehin, was beispielsweise für erbärmliche Billiggabeln an solchen Pedelecs ab Werk verbaut werden). Beispiel: Laufräder. Wir haben heute an fast allen Fahrrädern Scheibenbremsen, welche Laufräder erfordern, die ein Vielfaches an Drehmoment von der Nabe auf die Felge übertragen können müssen, wie es bei einem Pedelec-Motor vorkommt. Letzteres ist – verglichen mit einer starken Bremsung – ein feuchter Furz im Mangrovenwald. Daran ist nichts neu, daran ist nichts gefährlich, und ein Laufrad was das nicht kann, darf in keinem normalen Fahrrad zum Einsatz kommen. Nimmt man die tretbedingte wechselseitige Verwindung von Laufrädern insbesondere im Wiegetritt beim Bergfahren, so ergibt sich bei Pedelecs dank gleichmässigerem Motordrehmoment eine geringere Laufradbelastung als bei normalen Fahrrädern.

Inndamm bei Egglfing mit Pedelec
Inndamm bei Egglfing mit Pedelec

Sportlich?

Sport ist für mich, wenn ich mich bewusst und absichtlich körperlich anstrenge, um damit etwas für meinen Körper und Geist zu erreichen. Beim Fahrrad heisst das, daß ich unter Aufbringung von Eigenleistung Vortrieb erzeuge, entweder um von A nach B zu kommen, oder einfach zum Selbstzweck für den Sport, für die Freude, was auch immer. So gesehen ist das 25km/h Pedelec sportlicher als ein S-Pedelec. Beispiel: von den heutigen 60km bin ich zwangsläufig etwa 50km allein mit Eigenleistung – also ohne Hilfsantrieb – gefahren, weil ich schneller als 25km/h war, und der Motor somit inaktiv war.
Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Es wird bestätigt, daß 45km/h Fahrräder sehr zur Eigenleistung animieren, weil man Lust auf das höhere Tempo hat. Man wird also vom mithelfendem Antrieb dazu animiert, selbst alles zu geben. Beim 25er Pedelec ist dieser Effekt nur bergauf vorhanden. In der Ebene ist da nichts. Das Rad beschleunigt gut, um dann genau zu Beginn desjenigen Geschwindigkeitsbereiches zu verebben, den man als Radfahrer als interessant bezeichnen würde. Da lässt es dich allein. Das ist zweifellos sportlich, aber es ist nicht so motivierend, als wenn der Antrieb weiter unterstützen würde. Mein Wunschwert für normale Pedelecs wäre irgendwas zwischen 32 und 35km/h. Das sind Geschwindigkeiten, welche ambitionierte Radfahrer ohne Motor eine Zeit lang fahren können.

Mit Motor könnten das dann auch weniger ambitionierte Fahrer tun, und sich dabei körperlich selbst aufbauen. Und im Gegensatz zum S-Pedelec hätte man auch noch eine akzeptable Reichweite. Meines Wissens hat man in USA ein 32km/h Abregellimit bei normalen Pedelecs (unbestätigte Information). Das wäre mal ein erfreulicher Import von dort. Ich gebe gern Halloween dafür her.
Um unserem zuweilen leicht aus der Balance geratenen Sicherheitsempfinden Genüge zu tun, würde ich im Zweifelsfall eine Art Prüfbescheinigung für angehende Pedelecfahrer begrüßen, wo Anfänger oder unerfahrene Verkehrsteilnehmer in Fahrtechnik, Verkehrsregeln und Verkehrssicherheit unterrichtet werden (und bitte dann auch in der Vermeidung der für Radfahrer wirklich gefährlichen Verkehrssituationen). Ernsthaft fahruntüchtige Personen würden hier nicht zuletzt zum Selbstschutz gestoppt, allerdings käme es mir dann erstaunlich vor, wenn solche Leute in ein Auto steigen. Vielleicht wäre eine solche Massnahme sogar im allgemeinen Sinne der Sicherheit des Straßenverkehrs zuträglich.
Langjährige Alltags-Radfahrer sind in der Regel geeicht, zumal man im Straßenverkehrs-Alltag wahrlich Erstaunliches (Achtung, Beschönigung!) erlebt, und das wird aktuell nicht besser.

Da sind die fahrtechnischen Herausforderungen eines bei 25km/h abregelnden Pedelecantriebs im Vergleich unerheblich.
Eine interessante Diskussion dazu findet man bei Pedelecforum.de.
Leider ist mit diesem Thema unser unendliches Radwegdrama eng verknüpft und kommt zwangsläufig ständig auf. Innerstädtische Radwege sind meistens nicht dazu geeignet, um mit dem Rad effektiv ans Ziel zu gelangen, sind aber leider oft genug zur Benutzung vorgeschrieben. Auf vielen Radwegen ist ein fahrradtypisches Fahrtempo aus Sicherheitsgründen nicht möglich, da spielt es keine Rolle, ob ein Hilfsantrieb vorhanden ist oder nicht. Das ist ein allgemeines verkehrsplanerisches Problem, welches daher stammt, daß das Fahrrad oft und lange Zeit garnicht als Verkehrsmittel gesehen wurde. Wer aber das Rad sinnvollerweise (auch) als Verkehrsmittel einsetzt, muß sich dann zwangsläufig geeignete Routen suchen, wo man mit einem radtypischen Tempo niemanden gefährdet. In anderen Ländern baut man Radschnellwege, wo man beispielsweise als Fahrradpendler dann über weite Strecken durchziehen kann. Ich selbst kann glücklicherweise nahezu ausschließlich Überland-Wirtschaftswege, also kaum befahrene Kleinstraßen nutzen. Wer aber wirklich durch die Stadt muß, ist bei einer solchen Tempodiskussion aussen vor. Da spielt es nahezu keine Rolle, man muß ja sowieso fast überall das Tempo stark drosseln.

Disclaimer

„Sportlich“ hat für mich nichts, also wirklich garnichts mit unangemessenem Fahrtempo, Missachtung von Verkehrsregeln oder sonstigem unangenehmen oder gar ekelhaftem Gebaren im Straßenverkehr zu tun. Das Wort wird leider gerne missbraucht. Die üblichen Kampfdebatten dazu, also in der Regel ein gegenseitiges In-die-Schuhe-Schieben, oft in den Medien und oft durch sehr einseitige Sichtweisen geprägt habe ich unglaublich dick. Als Benutzer der meisten gängigen Mobilitätskategorien, angefangen vom Gehen,

über Fahrrad, nunmehr Pedelec, Motorrad, Auto und sehr lange Zeit auch Kleintransporter, darüber hinaus regelmäßig die Bahn, wundere ich mich oft über die Unfähigkeit mancher Verkehrsteilnehmer, zuweilen sogar Berufskraftfahrer, mehr als nur die eigenen Vorteile im Verkehr wahrzunehmen und einzufordern. Das wird so nicht funktionieren.
Jedem entspannt, routiniert und rücksichtsvoll fahrenden Verkehrsteilnehmer sei hiermit persönlich gedankt. Das fällt sehr positiv auf. So und nicht anders.

Sportlich.

Ja, es funktioniert. Dank dem neuen Cube habe ich nach meinem unerwarteten Tiefpunkt 2017 nun wieder einen Fitnesszustand, der ganz ganz langsam in die Nähe kleinerer Rennradrunden führt. Ich lasse mir den Berg hinaufhelfen, habe Spaß dabei, könnte ohnehin derzeit keinen guten Wiegetritt fahren und bin abgesehen von unseren niederbayerischen Hügeln meist über dem Abregellimit unterwegs, betreibe also ein 19kg Fahrrad mit Geschwindigkeiten zwischen 26km/h und vielleicht 34km/h in der Ebene, je nach Wind.

Hötzl bei Simbach, Aufnahme Huawei P20 Lite, nachbearbeitet
Hötzl bei Simbach

Das macht sich bezahlt, jeder Kilometer ist es wert. Auch an Rennradfahrer konnte ich mich bereits ansaugen, bei abgeregeltem Motor versteht sich. Das wissen die natürlich nicht, aber was solls. Es hat also seinen Sinn, auch wenn es kein Alltagsrad, kein Einkaufsrad und kein Lastenrad ist. Immerhin, das Cross Hybrid One liesse sich im Bedarfsfall einfach zu einem tauglichen Alltagsfahrrad umbauen. Licht ist ohnehin immer dran, Kotflügel, Gepäckträger, bequeme Pedale und ein bequemerer Sattel sind leicht montierbar.
Der kleine subtile Psychotrick beim Straßenpedelec ist für mich der: ich tue mich mit langen Strecken leichter, denn obwohl ich dank Abregellimit einen hohen Anteil ohne Unterstützung fahre, so summieren sich die kleinen Motorschübe bei welligen/hügeligen Strecken, Gegenwind, Beschleunigungen doch bemerkbar auf. Man baut langsamer ab und empfindet die längere Strecke subjektiv kürzer, ohne aber bequem oder faul zu sein. Das klappt sehr gut.
Was mit dem Pedelec hingegen nicht gut geht, ist das Training impulsiver Antritte, sowie niedertouriges Bewältigen langer Steigungen im Wiegetritt. Ersteres erledigt der Antrieb für einen, zweiteres würde den Antrieb u.U. überlasten, weil er dabei zu niedrig dreht, dabei einer stark pulsierenden Tretbelastung ausgesetzt ist und somit u.U. ständig die Leistung variiert. Was hingegen durchaus geht, ist Wiegetritt bei höherer Trittfrequenz. Zumindest bei meinem Bosch Active Line Plus Antrieb funktioniert das überraschend elegant. Unnötig zu erwähnen: Wer als Radsportler Intervalltraining oder Schnellkrafttraining macht, tut das am besten mit einem leichten Sportrad. Keine Überraschung.

Fitnessauswertung
(05/2019)

Mit dem Umbau auf das Bosch Kiox Anzeigeinstrument ergeben sich nochmal sehr interessante Möglichkeiten des Pedelecs als Fitnessgerät. Beim Kauf des Rades war mir dieser Aspekt überhaupt nicht bewusst, und umsomehr freue ich mich jetzt darüber. Es werden Eigenleistung, Tretfrequenz, sowie viele andere Tourdaten via Smartphone mit dem Bosch E-Bike Connect Portal synchronisiert und visualisiert, so daß man diese Daten am Smartphone sowie im Web betrachten kann. Näheres dazu findet man in diesem Blogartikel. Radsportler bezahlen viel Geld, um solche Auswertungen mit dem Trainingsrad zu erhalten. Bei meinem recht preisgünstigen Bosch Pedelec erhalte ich es quasi als Beigabe, weil der Antrieb die Daten ohnehin benötigt.

Bosch E-Bike Connect Portal - Leistungs- und Tretfrequenzaufzeichnung
Bosch E-Bike Connect Portal – Leistungs- und Tretfrequenzaufzeichnung

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