Caorle 2023

Ganz kurzfristig haben der Junge und ich uns entschlossen, ein paar Tage der zweiten Woche meines Sommerurlaubs doch noch für eine Spritztour nach Italien zu nutzen, wo wir 2021 zum letzten Mal waren. Es war vollkommen stabiles Sommerwetter vorausgesagt, und genau so war es auch. 4 Tage sind es geworden, davon knapp zweieinhalb Fahrtage und eineinhalb Strandtage.

Fotos

Hier gleich mal das Wichtigste: die Fotogalerie mit Kurztiteln. Weiter unten folgt ein bisschen Text zu dieser Tour.

Die Tour

Als Fahrzeuge kamen die Yamaha MT-07 meiner Frau für mich, und die MT125 für unseren Sohn in Betracht. Als Ziel haben wir unseren ehemaligen Familienurlaubsort Caorle gewählt, weil erstens unser Sohn nochmal hin wollte, und zweitens ich genauso.

Hinfahrt

Seit ewigem wollte ich wieder mal bestimmte Traumstrecken im Friaul fahren, und dementsprechend wurde die Anfahrt etwas weitschweifiger geplant. Wir starteten Montag mittags und fuhren via Mühlbach (Hochkönig) und Dienten über die Felbertauernstraße durch den Tunnel, dann das Defereggental, schließlich den Stallersattel hinunter bis zur ersten Nächtigung im Ort Olang.
Tag zwei brachte die Highlights der Sella Ciampigotto und Sella Razzo nebst der Abfahrt in Richtung Sauris, welche offiziell gesperrt aber problemlos zu fahren war. Anscheinend gab es dort Schuttlawinen im unteren Bereich, die aber bereits beseitigt worden waren. Diese Abfahrt ist ein unglaublicher Genuß, eine der schönsten Passstraßen, die mir bekannt ist. Vorbei ging es am Lago di Sauris und über den Passo Pura nach Ampezzo, ein weiteres Streckenhighlight. In der erneut großartigen Abfahrt gab es dann eine Pause im Ristorante al Pura, wo es super Essen gab.
Weiters fuhren wir dann nicht etwa über Priuso und den wunderbaren Passo Rest, sondern über Preone ins verwunschene Valle di Preone. Diese Strecke ist inzwischen auf 30km/h limitiert, und das stört gar nicht wirklich, weil man dort weder schnell fahren will noch muß. Man kommt aus dem Schauen nicht raus, wenn sich diese schmale rissige Straße in mehreren Gefällen und Anstiegen durch das Tal windet, um dann schließlich an der Verzegnis-Strecke zu münden. Es gibt ein paar Leitplanken mehr als früher, als man zuweilen befürchten musste, in den superengen Steilkehren in den Abgrund zu kippen, wenn der Motor abgewürgt würde.
Und gleich weiter ging es über die Via Battaias und die Via Fratta. Das sind quasi asfaltierte Wanderwege: löcheriger rissiger Asfalt mit dunklem Split, Zapfen und Nadeln darauf windet sich unübersichtlich und steil durch Waldgebiete. Aufwärts noch gut zu fahren, aber auf dem Heimweg abwärts fahrend rutscht es da gern mal ein wenig. Auf jeden Fall schon eher anspruchsvoll zu fahren, oder sagen wir: besser mit Vorsicht.
Und dann erreicht man Clauzetto und Vito d’Asio mit Blick in die Ebene, der Balkon des Friaul. Es geht nun runter und über das Bett des Tagliamento. Ab Ragogna rollt man dann 80km über häufig stark limitierte und oft schnurgerade italienische Kleinstraßen an die Adria. Hier vergeht viel Fahrzeit, auch in den endlosen Ortschaften entlang der Straßen. Locker bleiben, kein Stress. Das ist wohl der mental mühsamste Teil der Strecke, dafür ist man danach am Ziel.
Etwa 600km lang war die Anfahrt, verteilt auf eineinhalb gut machbare Fahrtage, also eben nicht ganztags auf dem Motorrad.

Heimfahrt

Wir haben uns die Heimfahrt in einem Tag vorgenommen. Daher wurde die Strecke an mehreren Stellen verkürzt bzw. über größere Straßen gefahren. Den geschätzten Lanzenpass haben wir komplett rausgelassen. Nach gut 500km waren wir dann schon relativ durch, auch mental. Es war mehr Verkehr als bei der Hinfahrt, und wir sind mehrfach im trägen Alltagsverkehr versumpert, waren von Horden von Harleys umgeben (es war vermutlich ein riesiges Treffen irgendwo in der Gegend) und hingen immer wieder mal in Baustellen fest. Dennoch, der hohe Anteil an wunderbaren Kleinstrassen macht das wett. Man braucht halt Geduld, wenn der Straßenalltag einen dazwischen immer wieder einholt.

125er

Bei der Heimfahrt war die 125er Problematik viel stärker im Vordergrund als hinwärts. Solang man auf einsamen Traumstraßen unterwegs ist, hat man keine schlimme Einschränkung. Aber wehe, der dröge Autoverkehr keilt einen ein, dann frisst sich alles, man fährt sich quasi fest. Die aktuellen 4T 125er sind sicherlich schöne und hochwertige Motorräder, aber die Motoren ziehen echt keine Wurst vom Teller. Das ist ein ständiges gequältes Hochdrehen, ohne daß man jemals das Gefühl von Beschleunigung hat. Man fährt gewissermassen nach der Uhr: „In 1 Minute wird man die Geschwindigkeit um 40km/h erhöht haben“. Da hilft auch keine variable Ventilsteuerung. Also vielleicht wiederhole ich mich mit der sehr subjektiven Aussage, daß mein 2016er NMAX 125 Roller mit seinen 12PS viel angenehmer zu fahren war als die 15PS MT125, die zwar obenrum furchtbar laut röhrt, aber verglichen mit dem Roller halt irgendwie nicht aus den Pötten kommt, egal wie man fährt. Als Motorrad ist das Ding schön zu fahren und hat eine sehr agile Ergonomie, aber der Motor ist selbst mir zu poplig und angestrengt. Also wenns ans Überholen geht, und das war halt heute bei der Heimfahrt unvermeidlich, dann ist das Ding ganz schnell am Ende, oder man beginnt unnötig aggressiv, unentspannt und riskant zu fahren, was wir aber unbedingt vermeiden wollen. Also unser Sohn macht das zum Glück nicht, bei mir hingegen gäbe es u.U. die Gefahr. Bedeutet aber: wenns dumm läuft, koffern wir eine halbe stunde hinter einem Wohnmobil her. Bei den ganz abseitigen Streckenabschnitten ist das kein Thema, aber in den stärker befahrenen Stücken kann das sehr lästig sein.
Ein weiterer ärgerlicher Nervpunkt ist die dünne Kette der Yamaha MT125. Auch Honda verwendet so ein Format. KTM hätte eine anständige dickere Kette bei den 125ern. Für mich ist das ein Manko, denn diese dünnen Ketten längen sich brutal, und zwar ohne daß man mit dem Fahrzeug wild fährt. Man ist permanent am Nachjustieren des Durchhangs und muß es eigentlich fast bei jeder Fahrt kontrollieren. Das ist superlästig und dumm.
Egal, wir sind gut heimgekommen, ich habe einen Haufen schöner Erinnerungsfotos gemacht, und Caorle selbst war dieses Mal ein Volltreffer, total angenehm und schön. Wir sind mit viel Wehmut abgereist, denn leider hatten wir eben nur einen Tag. Nun, den haben wir in vollen Zügen genossen.

Tourbesprechung und Abwägung gegen den CE 04 E-Roller

1100km sind wir an insgesamt zweieinhalb Fahrtagen gefahren. Die beiden Motorräder genehmigten sich zusammen im Schnitt 5,5l/100km Benzin, was ich akzeptabel finde. Natürliche wäre ich so eine Tour wahnsinnig gerne elektrisch gefahren, aber der CE 04 Elektroroller steckt beim 20.000er Kundendienst fest, war also nicht verfügbar. Aus Zeitgründen hätte ich die Tour diesmal wohl ohnehin nicht elektrisch gefahren. Die Ladepausen hätten die Fahrzeit stark ansteigen lassen. So ein Experiment müsste ich alleine durchziehen. Immerhin kann man nun sicher sein, daß es selbst auf den abenteuerlicheren Etappen der Tour ausreichend Ladestationen gegeben hätte. Es fragt sich nur, ob sie dann auch wirklich funktionieren (was bei den Tankstellen dort keineswegs selbstverständlich war. Die waren in mehreren Fällen heruntergekommen, geschlossen, in Urlaub, also nicht zuverlässig verfügbar).
Auf den langsamen wilden Naturstrecken wäre der CE 04 grandios gewesen: Erstens die super präzise Kontrolle, zweitens das leise Fahren. Dennoch, auch der Rückstieg auf die MT-07 war ein schönes Erlebnis. Der CP2 Motor ist nach wie vor oberste Klasse, ein Gentleman Antrieb bei stets entspannt druckvoller Fahrweise, der sich unendlich angenehm abhebt von penetrant knatternden oder röhrenden lauten Motorrädern, wie sie zahlreich unterwegs waren. Das geht für mich inzwischen garnicht mehr.
Es gab eine Reihe weiterer Erkenntnisse nach dem temporären Rückstieg auf die MT, unter anderem auch die, wie sehr mich inzwischen die typischen Motorradthemen Kettenpflege und -verschleiß, ölverschmierte Hände und Teile, Gepäckgefuddel, die Lastwechselreaktionen, das ständige Geschalte, das grobe laut wimmernde ABS der MT nerven. Das ist alles ganz normal, aber es geht so viel angenehmer. Das geringere Gewicht, die schmalere Bauweise und der Wegfall der vielen Ladepausen sind aber auf jeden Fall Punkte der Habenseite bei der good old MT. Das ist mal sicher. Je länger aber eine Tour dauert, desto lieber ist mir der CE 04 mit dessen präziser feinfühliger Drehgriffsteuerung, selbst wenn bei Landstrassenspeed weniger Leistung anliegt als bei der MT. Dafür zieht das Ding mühelos katapultartig von Null weg ohne Hacken, Schalten, Kuppeln, Hochdrehen. Ob die schräglagenabhängige Traktionsregelung des CE 04 bei derartigen Strecken mitspielen würde, hätte mich sehr interessiert. Dieses System kommt bei mir reproduzierbar in manchen extrem engen Kehren an seine Grenzen und regelt mir im Scheitel den Antrieb komplett ab. Dabei bräuchte man ihn genau da, um eben nicht in die Kehre zu kippen. Das könnte bei solchen Straßen tatsächlich Probleme bereiten. Irgendwann werde ich das erfahren. Achso, und der Elektroantrieb verliert bei großen Höhen keine Leistung. Die MT-07 kann das eh auch ganz gut kompensieren. Die 125er ist da total lost. Da geht halt echt garnix mehr, oben am Berg.

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